Das Klinisch-Praktische-Jahr ausländischer Medizinstudenten ist ein Berufspraktikum und bedarf daher keiner Beschäftigungsbewilligung iSd AuslBG
Beschäftigung eines russischen Staatsangehörigen im Rahmen des KPJ
Der russische Staatsangehörige war Student der Humanmedizin an der Medizinischen Universität Graz. Im Rahmen dieses Studiums muss im dritten Studienabschnitt das sog. Klinisch-Praktische Jahr in einem Krankenhaus absolviert werden.
Dieses umfasst 48 Wochen. Entgeltlichkeit ist nicht vorgesehen, die Medizinstudenten erhalten jedoch aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Krankenanstalt und der Medizinischen Universität im Hinblick auf den abgeschlossenen Praktikumsvertrag für 40 Wochenstunden für jeweils 4 Wochen ein Entgelt iHv EUR 650,00 brutto.
Der Student war Anfang 2020 im Rahmen des KPJ bei der Krankenanstalt beschäftigt. Für den Großteil der Beschäftigung im Rahmen des KPJ gab es eine Bestätigung des Arbeitsmarktservice für ein Ferial- oder Berufspraktikum. Lediglich für eine Woche im Februar lag weder eine Beschäftigungsbewilligung noch eine Anzeigebestätigung vor.
Die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Graz verhängte eine Geldstrafe iHv EUR 500,00 gegen den Geschäftsführer der Krankenanstalt, da diese einen russischen Staatsangehörigen beschäftigt habe, obwohl keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt gewesen sei.
Landesverwaltungsgericht Steiermark hebt Straferkenntnis auf
Der Geschäftsführer der Krankenanstalt erhob gegen das Straferkenntnis Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht. Dieses gab der Beschwerde statt, behob das angefochtene Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Rechtlich ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Beschwerde deshalb berechtigt sei, weil kein Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz vorläge. Es setzte sich mit der Frage auseinander, ob überhaupt eine Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 lit a AuslBG vorliege und andererseits ob ein Volontariat oder Ferial- oder Berufspraktikum oder sonstiges Praktikum vorgelegen sei.
Es nahm an, dass das KPJ nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nicht als Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 iVm § 3 Abs. 4 AuslBG angesehen werden könne, zumal die Absolvierung des KPJ einen verpflichtenden Teil des Studiums der Humanmedizin ausmache. Das Verwaltungsgericht verneinte aber auch das Vorliegen eines Volontariats, Ferial- oder Berufspraktikums oder auch eines sonstigen Praktikums (§ 2 Abs. 14 – 16 AuslBG).
Ein Volontariat sei auf drei Monate beschränkt und freiwillig. Ein Ferial- oder Berufspraktikum sei auszuschließen, weil dieses nur für „Schüler“ vorgesehen sei, nicht jedoch für Studenten. Die Einordnung als sonstiges Praktikum scheitere an der Dauer.
Das Landesverwaltungsgericht kam zum Ergebnis, dass eine Lücke im Gesetz vorliege; da eine Analogie im (Verwaltungs-)Strafrecht nicht zulässig sei, hob es das Straferkenntnis auf und stellte das Verfahren ein. Gegen diese Entscheidung erhob die Bürgermeisterin der Stadt Graz außerordentliche Revision.
VwGH hebt Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes auf
Der Verwaltungsgerichtshof (Ra 2022/09/0073) führt in seiner Entscheidung zunächst aus, dass als Beschäftigung iSd Ausländerbeschäftigungsgesetzes nach dessen § 2 Abs. 1 unter anderem die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis, in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis und in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5 AuslBG gilt. Jede Beschäftigung eines Ausländers darf nur unter den im Ausländerbeschäftigungsgesetz genannten Voraussetzungen erfolgen.
Für die Beschäftigung von Ausländern als Volontäre, Ferial- oder Berufspraktikanten oder sonstige Praktikanten sieht § 3 Abs. 5 AuslBG insofern eine Erleichterung gegenüber dem – bei einer Beschäftigung in jedem anderen Ausbildungsverhältnis bestehenden – Erfordernis der Erholung einer Beschäftigungsbewilligung vor, sodass in diesem Fall eine Anzeigebestätigung ausreichend ist; die Beschäftigung ist vom Inhaber des Betriebes, in dem der Ausländer beschäftigt wird, spätestens drei Wochen vor Beginn den zuständigen Stellen anzuzeigen.
Der VwGH führt aus, dass – entgegen den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes – die Tätigkeit im Rahmen des KPJ sehr wohl eine Beschäftigung iSd Ausländerbeschäftigungsgesetzes darstellt, da jede Verwendung auch in einem Ausbildungsverhältnis einschließlich der Tätigkeiten der Volontäre, Ferial- und Berufspraktikanten (oder sonstigen Praktikanten) als Beschäftigung gelten. Das Vorliegen einer Beschäftigung kann in diesem Zusammenhang auch nicht bloß deshalb verneint werden, weil das KPJ einen verpflichtenden Teil des Studiums ausmacht; ändert eine aufgrund eines Lehrplans oder eines Curriculums bestehende Verpflichtung zur Absolvierung eines Praktikums doch nichts am wahren wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit im Rahmen dieser Verwendung.
Lag aber eine Beschäftigung iSd Ausländerbeschäftigungsgesetzes vor, ist es für die Strafbarkeit unerheblich, ob für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung hätte eingeholt werden müssen oder eine Anzeigebestätigung ausgereicht hätte, da im vorliegenden Fall für den inkriminierten Zeitraum weder das eine noch das andere vorlag. Deshalb erfüllt sowohl die bei Vorliegen einer Bewilligungspflicht bewilligungslose Beschäftigung wie auch die bei Vorliegen einer Anzeigepflicht anzeigelose Beschäftigung den Verwaltungsstraftatbestand. Es ist bei einer solchen Übertretung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs daher ausreichend, dem Beschuldigten generell vorzuwerfen, es sei eine Beschäftigung erfolgt, obwohl für den beschäftigten Ausländer keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung bzw. Bestätigung ausgestellt gewesen seien.
VwGH hält fest, dass das KPJ ein Berufspraktikum iSd Ausländerbeschäftigungsgesetzes ist
Klarstellend führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass das Landesverwaltungsgericht zutreffend zur Beurteilung kam, dass die Beschäftigung im Rahmen des KPJ weder als Volontariat noch als sonstiges Praktikum einzuordnen ist, jedoch irrt das Landesverwaltungsgericht in der Annahme, dass kein Berufspraktikum vorliege. Die Annahme des Landesverwaltungsgerichtes, dass ein Medizinstudent zweifelsfrei nicht als „Schüler“ anzusehen sei, greift zu kurz. Der Begriff „Schüler“ wird im Ausländerbeschäftigungsgesetz zwar nicht näher definiert. Der Gesetzgeber bediente sich bei der Definition von Ferial- und Berufspraktikanten in dieser Bestimmung jedoch auch der Begriffe „Lehr- oder Studiengang“ sowie „inländische Bildungseinrichtung mit Öffentlichkeitsrecht“. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird unter dem Begriff „Studiengang“ ein Studienangebot für Studierende (auch Studenten, Hochschüler) verstanden. Auch der Begriff „Bildungseinrichtung mit Öffentlichkeitsrecht“ bezieht sich bereits nach seinem Wortsinn nicht ausschließlich auf Schulen im engeren Sinn, sondern umfasst auch Hochschulen oder Universitäten. Somit ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut, dass unter dem Begriff „Schüler“ iSd Ausländerbeschäftigungsgesetzes auch Studenten zu verstehen sind. Auch eine historische Interpretation führt zu diesem Ergebnis.
Eine Beschäftigung im Rahmen des KPJ ist somit als Berufspraktikum iSd Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu qualifizieren, für die es einer Anzeigebestätigung nach § 3 Abs. 5 AuslBG bedarf.
Mag. Seyfullah Çakır