Für Aufklärungsmängel wird nur dann gehaftet, wenn sie den behaupteten Schaden verursacht haben
Aufklärungserfordernisse bei unbekannten Allergien
Der Klägerin wurde von der beklagten Arbeitsmedizinern eine Impfung gegen COVID-19 verabreicht. Dabei kam es zu einer anaphylaktischen Reaktion im Schweregrad I. Grund dafür war der Zusatzstoff Polysorbat-80. Daten über die Häufigkeit allergischer Reaktionen gegen diesen Stoff lagen zum Behandlungszeitpunkt nicht vor. In der der Ärztin zur Verfügung gestandenen Fachinformation wurde als Kontraindikation zwar eine Überempfindlichkeit gegen Polysorbat-80 angegeben, im von der Klägerin unterfertigten Aufklärungsbogen war aber kein Hinweis darauf enthalten.
Der OGH verwies darauf, dass die Allergie der Klägerin auf diesen Inhaltsstoff ihr selbst unbekannt war. Er ging daher davon aus, dass sie auch bei Aufklärung über eine mögliche anaphylaktische Reaktion der Impfung zugestimmt hätte. Eine vollständige Aufklärung hätte daher zu keinem anderen Verlauf geführt. Die unvollständige Aufklärung hat damit auch nicht die erlittene Gesundheitsschädigung verursacht.
OGH 23.5.2024, 4 Ob 36/24h
„Off-Label-Anwendung“ von Arzneimittel
Wenn kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht, können auch Arzneimittel außerhalb ihrer Zulassung im Rahmen eines sogenannten „Off-Label-Use“ eingesetzt werden, sofern dies bei fachlich begründeter Einschätzung erfolgversprechend ist. Im konkreten Fall erhielt die Klägerin in der Krankenanstalt der Beklagten eine schmerzmedizinische Behandlung unter anderem mit Lidocain-Infusionen. Diese wurden außerhalb ihrer Zulassung eingesetzt.
In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist umstritten, ob der/die PatientIn darüber aufgeklärt werden muss, dass ein angewandtes Arzneimittel außerhalb seiner Zulassung eingesetzt wird. Die Gerichte wiesen die Klage ab, die sich auf eine behauptete Verschlechterung des physischen und psychischen Zustands der Klägerin gründete. Das Berufungsgericht war der Meinung, dass im konkreten Fall über den „Off-label-use“ nicht aufzuklären war. Der OGH ließ diese Frage offen. Er hielt aber die Klagsabweisung schon deshalb für gerechtfertigt, weil die Klägerin beweisen hätte müssen, dass die Verabreichung der Lidocain-Infusionen kausal für die behauptete Gesundheitsschädigung war. Weil dieser Beweis nicht gelungen ist, sei unerheblich, ob die behandelnden Ärzte einen Aufklärungsmangel zu vertreten haben.
OGH 26.9.2024, 8 Ob 58/24y
Hon.-Prof. Dr. Felix Wallner
