Amtshaftung gegen Republik Österreich wegen Suizid?
Selbstmord im Patientenzimmer
Nach einem vorerst erfolglosen Suizidversuch mittels Einnahme einer Überdosis an Rohypnol wurde die Ehefrau des Erstklägers und Mutter der beiden minderjährigen Zweit- und Drittkläger in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung untergebracht. Am Abend desselben Tages verübte sie im Bad des Patientenzimmers, das im Gegensatz zum Patientenzimmer nicht mit einer Videoüberwachung gesichert war, Suizid durch Strangulation mit dem Brauseschlauch.
Die Kläger begehrten Schadenersatz aus dem Titel der Amtshaftung sowie die Feststellung der Haftung für die aus dem Selbstmord resultierenden Folgeschäden mit der Begründung, dass seitens des Personals eine engmaschige Überwachung unterlassen worden wäre.
Erstgericht gibt den Klägern Recht
Mit Teilurteil sprach das Erstgericht den begehrten Schadenersatz fast zur Gänze zu und gab auch dem Feststellungsbegehren statt. Es sah im Verhalten des Krankenhauspersonals eine grobe Fahrlässigkeit, zumal das Bad nicht überwacht wurde und auch sonst keine weiteren Maßnahmen zur Verhinderung des Suizids der aufgrund der Medikamenteneinnahme zumindest noch teilweise sedierten Patientin getroffen wurden.
Verbreiterung der Tatsachengrundlage laut Berufungsgericht notwendig
Das Berufungsgericht hob den klagestattgebenden Teil dieser Entscheidung auf und beauftragte das Erstgericht zur Tatsachenerweiterung hinsichtlich der Frage, ob aufgrund der bestehenden Sedierung der Patientin ein weiterer Selbstmordversuch erkennbar gewesen wäre. Es wurde daher ein pharmakologisches sowie ein psychiatrisches Gutachten gefordert. Laut zweiter Instanz ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu klären, welche Anordnungen zur Suizidprävention erforderlich und zulässig sind, wobei dafür ausschlaggebend ist, ob für das Krankenhauspersonal eine potentielle Gefahr vorhersehbar gewesen wäre. Eine Videoüberwachung auch im Bad wäre aus Sicht des Berufungsgerichtes aufgrund der Möglichkeit gelinderer Mittel nicht verhältnismäßig gewesen.
Der OGH (1 Ob 220/19 p) hielt den von den Klägern dagegen erhobenen Rekurs für nicht berechtigt, zumal der OGH keine Tatsacheninstanz sei und daher die vom Berufungsgericht vertretene Verbreiterung der Tatsachengrundlage nicht korrigieren könne. Im Ergebnis blieb es daher bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils.
Mag. iur. Barbara Hauer, LL.M., MBA