Behandlungsfehler - Beginn der Verjährung?
Fieberhafte Thrombophlebitis wegen Venflonsetzung
Im Zuge einer stationären Aufnahme im September 2017 wurde in der Ellbogenbeuge eine Venenkanüle gelegt, in deren Bereich sich eine fieberhafte Thrombobhlebitis entwickelte mit andauernden Schmerzen im Ellbogenbeugenbereich auch nach dem Krankenhausaufenthalt.
Schiedsstelle für Behandlungszwischenfälle
Der Kläger hatte bereits in dieser Zeit die Vermutung, dass diese Komplikationen von einer Vernachlässigung des Venflons stammten, suchte mehrere Ärzte auf und rief am 02.10.2017 mit Unterstützung der Arbeiterkammer die Schiedsstelle für Behandlungszwischenfälle der zuständigen Ärztekammer an. Dieses Verfahren endete am 06.03.2018 ohne Anerkennung eines schuldhaften Fehlverhaltens des beklagten Krankenhauses.
Nach Einholung eines weiteren Gutachtens im Jahr 2019, das keinen „eindeutigen Behandlungsfehler feststellen konnte“, begab sich der Kläger im Oktober 2020 abermals aufgrund anhaltender Schmerzen und Kraftverlust in stationäre Behandlung. Seit dem operativen Eingriff war der Patient weitgehend beschwerdefrei. Der die Operation durchführende Facharzt für Unfallchirurgie hielt im November 2020, im Jänner 2021 sowie in einem Aktenvermerk vom 27.04.2021 fest, dass diese Operation und die Schmerzen kausal auf den stationären Aufenthalt aus dem Jahr 2017 zurückzuführen seien und diese Komplikationen mit hoher Wahrscheinlichkeit Folge eines Behandlungsfehlers im ärztlichen oder pflegerischen Bereich waren.
Klagsabweisung wegen Verjährung
Das Erstgericht wies die vom Kläger am 14.06.2021 eingebrachte Klage auf Schmerzengeld und Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden gerichteten Ansprüche wegen Verjährung ab und das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers in der Hauptsache nicht Folge.
Verschuldenshaftung
In Arzthaftungsangelegenheiten ist hinsichtlich der Verjährungsfrage daher maßgeblich, dass der geschädigte Patient Kenntnis von den Schadensursachen, dem maßgeblichen Kausalzusammenhang und dem Verschulden des Schädigers hat, wobei er sich bezüglich der für das Entstehen des Ersatzanspruches maßgebenden Tatumstände nicht passiv verhalten darf. Diese Erkundungspflichten dürfen allerdings auch nicht überspannt werden und setzen das Vorliegen konkreter Verdachtsmomente voraus, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass die Verhaltenspflichten des Arztes im Sinne einer Behandlung lege artis nicht eingehalten wurden.
Bei einem geschädigten Laien läuft die Verjährungsfrist in der Regel erst dann, wenn dieser durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erhalten hat. Stets ist es jedoch von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, wann die die Verjährungsfrist auslösende Kenntnis vorliegt.
Verjährung bereits eingetreten
Im konkreten Fall haben mehrere Ärzt:innen bestätigt, dass die Entzündung und die daraus resultierenden negativen Konsequenzen auf die Vernachlässigung des Venflons im Krankenhaus zurückzuführen seien. Somit bestand die objektive Grundlage zur Annahme eines Kunstfehlers bereits mit dem von der Arbeiterkammer formulierten Schreiben an die Schlichtungsstelle vom 02.10.2017, sodass zu diesem Zeitpunkt die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begann, weswegen die am 14.06.2021 eingebrachte Klage bereits verfristet (5 Ob 21/22g) war.
Konkret wies der OGH noch darauf hin, dass nicht so lange zugewartet werden dürfe, dass der Prozess mit Sicherheit zu gewinnen sei, d.h. es müssen noch nicht alle Beweismittel vorliegen, die den Klagsverlust auf ein Minimum reduzieren.
Mag. Barbara Hauer, LL.M., MBA