Keine Fristenhemmung bei eingesetzten Brustimplantaten
Unternehmensgegenstand der Beklagten ist ein in Frankreich ansässiges Unternehmen zur Herstellung und Vertrieb von Brustimplantaten. Die Klägerin begehrte am 22.02.2021 Schadenersatz nach dem Produkthaftungsgesetz mit der Behauptung sie habe gesundheitliche Schäden aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Implantate davongetragen. Die Silikonbrustimplantate wurden am 15.02.2011 eingesetzt. Der Einwand der Beklagten lautete, dass die Ansprüche aufgrund des Ablaufs der 10-jährigen Frist des § 13 PHG bei Klagseinbringung bereits erloschen seien.
§ 13 PHG normiert folgendes: Sofern nach diesem Bundesgesetz bestehende Ersatzansprüche nicht früher verjähren, erlöschen sie 10 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem der Ersatzpflichtige das Produkt in den Verkehr gebracht hat, es sei denn der Geschädigte hat seinen Anspruch inzwischen gerichtlich geltend gemacht. Die Klägerin hingegen berief sich auf § 2 1. COVID-19-JuBG mit der Behauptung eine Fortlaufshemmung läge auch für Präklusivfristen vor.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revison für zulässig, zumal eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 2 1. COVID-19-JuBG auf § 13 PHG fehle. Der OGH teilte die Auffassung der Vorinstanzen, wonach § 2 1. COVID-19-JuBG auf die absolute Frist des §13 PHG nicht anzuwenden sei.
Im Verfahren wurde die Anwendbarkeit österreichischen Rechts nicht in Zweifel gezogen. Innerstaatlich setzt §13 PHG somit Art. 11 der RL 85/374/EWG vom 25.07.1985 (PH-RL) um, der für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Produkthaftung eine Frist von 10 Jahren ab Inverkehrbringen des Produkts vorsieht. Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt dem die Absicht der vollständigen Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene bei der Verjährung der dem Geschädigten aus dieser Richtlinie erwachsenen Ansprüche zugrunde. Die Mitgliedsstaaten sind nicht ermächtigt strengere Bestimmungen als in der durch die Richtlinie geregelten Punkten zur erlassen oder beizubehalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten.
Aus den Materialien zu § 2 1. COVID-19-JuBG lässt es sich nicht ausdrücklich entnehmen, dass der Gesetzgeber die 10-Jahres-Frist einer Hemmung unterworfen hätte wollen. Vielmehr hatte der Gesetzgeber Wochenfristen der Zivilprozessordnung vor Augen, deren Ablauf durch die pandemiebedingte Einschränkung im Frühjahr 2020 unmittelbar drohen hätte können. Darüber hinaus ist auch das europäische Begriffsverständnis aufgrund der PH-Richtlinie bei deren rechtskonformen Interpretation heranzuziehen. Der Begriff „Erlöschen“ kann nur als Ausschlussfrist nach österreichischem Recht verstanden werden. Auf Grundllage der Richtlinie soll demnach ein bestehender Schadenersatzanspruch jedenfalls mit 10 Jahren begrenzt sein.
Da es sich um eine absolute Frist handelt, kommt eine Hemmung oder Unterbrechung mit Ausnahme der gerichtlichen Geltendmachung nicht in Betracht. Bei richtlinienkonformer Interpretation ist daher § 2 1. COVID-19-JuBG auf in §13 PHG normierte Erlöschensfrist nicht anzuwenden. Mit Blick auf die dargelegte Rechtsprechung des EuGH zu Art.11 PH-RL gab es seitens des OGH keinen Anlass zur Vorlage nach Art. 267 AEUV. Der Revision der Klägerin war daher keine Folge zu geben (OGH 4Ob 199/22a).
Mag. Tanja Müller-Poulakos, LL.M.