Strenger Maßstab bei ärztlichem Provisionsverbot
Ex-Frau eines HNO-Facharztes führt Hörstudio
Während der 17-Jahre dauernden Ehe führten die beiden Partner ein Tinnituszentrum, in welchem die Patienten vom - nun klagenden - Facharzt und anschließend von Akustikern im Hörstudio, dessen Gesellschafterin und Geschäftsführerin die nun beklagte Frau ist, betreut wurden. Die Eheleute nahmen gemeinsame Termine und (Werbe)Auftritte wahr und hielten Teamsitzungen ab. Das Hörstudio liegt im Erdgeschoss desselben Gebäudes, in welchem sich auch im dritten Stock die Facharztordination befindet. Zwar konnten sich die Patienten selbst entscheiden, wo sie das vom HNO-Arzt verordnete Hörgerät kauften, allerdings war aufgrund der Lage von Ordination und Hörstudio der Erwerb dieses Medizinproduktes in letzterem sehr wahrscheinlich.
Ausgleichszahlungen für weitere Kooperation laut Scheidungsvergleich
Die Beklagte verpflichtete sich im Rahmen der Scheidung an den klagenden Facharzt zu einer Ausgleichszahlung von insgesamt Euro 450.000,--, abhängig von der Ertragsfähigkeit des Unternehmens und zahlbar in jährlichen Raten, wobei eine genaue Vereinbarung hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten geschlossen wurde. Hintergrund dieser Vereinbarung war, dass die bisher gelebte Kooperation fortgeführt werden und die Beklagte „Zuweisungen“ ihres Ex-Gatten weiterhin erhalte sollte, wobei keine konkreten „Zuweisungen“ versprochen und im Zuge des Scheidungsverfahrens auch nicht erwähnt wurden.
Die ehemaligen Partner arbeiteten in Folge auch mit anderen Konkurrenzunternehmen zusammen, was nach einem gerichtlichen Streit zwar vorerst mit einem Vergleich endete, aber danach die Kooperation nicht mehr weiter fortgeführt wurde. Die Zahl der Patienten in der HNO-Facharztordination und auch die „darauf folgenden Empfehlungen“ an das Hörstudio gingen zurück. Von der vereinbarten Ausgleichszahlung sind noch Euro 185.000,-- offen, die nun Gegenstand dieses Verfahrens waren.
Beklagte beruft sich auf Provisionsverbot
Das Erstgericht gab dem Rechnungslegungsbegehren des Klägers großteils statt, in zweiter Instanz wurde der Berufung der Beklagten nicht Folge gegeben und die Revision nicht zugelassen. In der im Scheidungsvergleich beschlossenen Vereinbarung zur Gewinnbeteiligung wurde daher kein Widerspruch zum im Ärztegesetz verankerten Verbot der Vermittlungsprovision gesehen.
Außerordentliche Revision an OGH
Der OGH (5 Ob 25/20t) erachtete die von der Beklagten initiierte außerordentliche Revision für zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen auch für berechtigt. Dem Erstgericht wurde die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Dieses Ergebnis ist zusammengefasst auf folgende Überlegungen zurückzuführen:
Zunächst war zu prüfen, ob die im Scheidungsvergleich vereinbarte Ausgleichszahlung aufgrund der/des im Ärztegesetz verankerten Werbebeschränkung und Provisionsverbot nichtig sei.
Der OGH hat sich mit diesem Thema schon mehrfach auseinandergesetzt, beispielsweise wird auf folgende Entscheidungen, die Augenfachärzte betrafen, verwiesen:
- https://www.infofueraerzte.at/index.php/2020/08/judikaturlinie-augenaerztliche-konstruktionen/
- https://www.infofueraerzte.at/index.php/2014/10/unerlaubte-raeumliche-schadet/
- https://www.infofueraerzte.at/index.php/2016/10/optikerklage-augenarzt-fehlgeschlagen/
- https://www.infofueraerzte.at/index.php/2018/01/augenfacharzt-brillenwebshop-wettbewerb/
Der ärztliche Verhaltenskodex sieht in der Unabhängigkeit der ärztlichen Tätigkeit von der Pharma- und Medizinprodukteindustrie einen wesentlichen Grundpfeiler.
Die Kapitalbeteiligung von Ärzten an einem Unternehmen, das Medizinprodukte herstellt, wird in der Literatur nicht per se für unzulässig erachtet, vorausgesetzt, dass der Arzt weder direkt noch indirekt durch seine ärztlichen Leistungen als Zuweiser oder Verordner den Wert seines Kapitalanteils steuern kann.
Anders als die sonstigen Regelungen zum ärztlichen Provisionsverbot, die den Begriff „Empfehlung“ verwenden, beschränkt sich das Ärztegesetz wörtlich betrachtet auf jenen der „Zuweisung“, wobei dieser Begriff weder im Gesetz noch anhand der bisherigen Rechtsprechung näher definiert wurde.
Gegen die ausschließlich wörtliche Interpretation dieser „Zuweisung“ sprechen laut OGH teleologische Überlegungen. Ausschlaggebend ist daher, ob der Arzt für eine erfolgreiche Patientenzuführung im Sinne einer „Zuweisung“ an das Hörstudio der Beklagten die Entscheidung der Patienten zu seinen Gunsten gesteuert hat bzw. ob sich diese Aktivitäten positiv auf das Betriebsergebnis des Hörstudios auswirken sollten und konnten. Das Erstgericht ist daher am Zug, insbesondere zur Art der „Empfehlung“ noch konkrete Feststellungen zu treffen.
Mag. iur. Barbara Hauer, LL.M., MBA