3. Vorsorgevollmacht, Erwachsenenvertretung und Patientenverfügung

In einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt eine Person (Vollmachtsgeber) eine oder mehrere andere Personen (Vorsorgebevollmächtigte) seiner Wahl für ihn Entscheidungen zu treffen bzw. die Besorgung von Aufgaben zu übernehmen, für den Fall, dass deren Übernahme vom Vollmachtsgeber selbst nicht mehr möglich ist. Welche Aufgaben vom Bevollmächtigten besorgt werden können, ist in der Vorsorgevollmacht festzulegen.
Eine Vorsorgevollmacht ist zwingend vor einem Notar, Rechtsanwalt oder juristischem Vertreter eines Erwachsenenvereins zu errichten und im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) einzutragen. Eine Vorsorgevollmacht kann nur so lange ausgestellt werden, solange beim Vollmachtsgeber die dafür notwendige Entscheidungsfähigkeit vorliegt. Bis zum Eintritt des Vorsorgefalls ruht die Vorsorgevollmacht und entfaltet keine rechtliche Wirkung.

 

Um festzustellen, ob der Vorsorgefall eingetreten ist, das heißt der Vollmachtsgeber seine Entscheidungsfähigkeit verloren hat, ist von einem Facharzt (z.B. Neurologe, Psychiater, …) oder einem Arzt für Allgemeinmedizin – in den meisten Fällen wird dies der behandelnde Hausarzt sein – ein ärztliches Zeugnis für die Eintragung des Vorsorgefalls einer Vorsorgevollmacht im ÖZVV auszustellen. Mit Ausstellung dieses ärztlichen Zeugnisses wird bestätigt, dass der Patient die notwendige Entscheidungsfähigkeit verloren hat, womit die Vorsorgevollmacht ihre Wirksamkeit entfaltet.

 

Mit Schaffung des 2. ErwSchG wurde das bis Mitte 2018 geltende Sachwalterrecht einer grundsätzlichen Reform unterzogen. Ziel dieser Reform war es, vertretenen Personen im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ein weitgehend selbstbestimmtes Leben, ohne zu viel Einflussnahme eines etwaigen Vertreters, zu ermöglichen. Für jene Fälle, in welchen aufgrund der mangelnden Entscheidungsfähigkeit dennoch Vertretungsentscheidungen notwendig werden, wurden neben der Vorsorgevollmacht drei weitere Vertretersäulen geschaffen.
Je nachdem, ob die betroffene Person noch fähig ist, die Bedeutung und Folgen einer Bevollmächtigung in Grundzügen zu verstehen, kann sie im Rahmen der gewählten Erwachsenenvertretung eine oder mehrere ihr nahestehende Personen als Erwachsenenvertreter bestellen. Liegt diese Fähigkeit nicht mehr vor, gibt es noch die Möglichkeit der gesetzlichen Erwachsenenvertretung bzw. als letzte Möglichkeit die gerichtliche Erwachsenenvertretung, die weitgehend der bisherigen Sachwalterschaft entspricht.
Im Hinblick darauf, dass es sich um eine Erwachsenenvertretung handelt, sind diese Arten der Vertretung nur bei volljährigen Personen anwendbar. Für die Vertretung von Kindern und Jugendlichen gilt für den medizinischen Bereich das unter Abschnitt B gesagte.

 

Bei der gewählten Erwachsenenvertretung müssen die volljährige Person und ihr Vertreter eine schriftliche Vereinbarung über die Vertretungsbefugnisse des Erwachsenenvertreters treffen. Die Vereinbarung einer gewählten Erwachsenenvertretung ist vor einem Notar, Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein zu errichten und im ÖZVV zu registrieren. Bei der gesetzlichen Erwachsenenvertretung sind die möglichen Vertretungsangelegenheiten eines bzw. auch mehrerer nächster Angehöriger abschließend vom Gesetz geregelt. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist ebenfalls von einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein im ÖZVV einzutragen.
Um die Vereinbarung über eine gewählte Erwachsenenvertretung bzw. einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung im ÖZVV eintragen zu lassen, ist ein Ärztliches Zeugnis für die Bestätigung der mangelnden Entscheidungsfähigkeit bei der volljährigen Person notwendig.

 

Das ärztliche Zeugnis kann grundsätzlich von jedem Facharzt oder Arzt für Allgemeinmedizin ausgestellt werden, der über die im konkreten Fall notwendigen Fachkenntnisse verfügt. In den meisten Fällen wird das ärztliche Zeugnis vom behandelnden Hausarzt ausgestellt, da dieser den betroffenen Patienten oftmals sehr gut kennt und in den meisten Fällen selbst beurteilen kann, ob der Patient noch entscheidungsfähig ist oder nicht.

Kein Arzt ist gesetzlich verpflichtet an der Erstellung des ärztlichen Zeugnisses mitzuwirken und kann eine solche Mitwirkung auch abgelehnt werden – insbesondere auch dann, wenn sich der Arzt aus medizinscher Sicht nicht im Stande sieht eine Bewertung über die Entscheidungsfähigkeit abzugeben. Übernimmt der Arzt die Tätigkeit, ist diese Leistung grundsätzlich nicht im Aufgabenfeld der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten und es kann ein privatärztliches Honorar verrechnet werden. Für dieses privatärztliche Honorar gibt es einen Empfehlungstarif der Österreichischen Ärztekammer in Höhe von € 156,17 (Stand: August 2020).

 

Darunter ist eine (in der Regel schriftliche) Erklärung zu verstehen, in der bestimmte medizinische Maßnahmen, die zukünftig nötig werden könnten, für den Fall abgelehnt werden, dass die verfügende Person im Moment der Entscheidung darüber nicht mehr entscheidungsfähig ist.

 

Bei einer verbindlichen Patientenverfügung, für die das Gesetz eine Reihe von besonderen Formvorschriften für deren Zustandekommen vorsieht (z.B. zwingende Schriftlichkeit, Errichtung nur vor Notar, Rechtsanwalt oder einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretungen bzw. Erwachsenenschutzvereins sowie umfassende ärztliche Aufklärung über das Wesen und Folgen der Patientenverfügung für die medizinische Behandlung), ist der Arzt zwingend an deren Beachtung gebunden, auch für den Fall, dass dies zu einer schweren Gesundheitsschädigung oder zum Tod führen sollte. Die zwingende Beachtung der verbindlichen Patientenverfügung gilt bei Patienten, die ihre Entscheidungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Behandlung noch nicht verloren haben, nur so lange, so lange die gesetzlich festgelegte Gültigkeitsdauer von acht Jahren noch nicht abgelaufen ist bzw. sich der Patient nicht anderweitig äußert. Der Patient kann allerdings eine kürzere Frist bestimmen. Alle anderen Patientenverfügungen sind zwar nicht zwingend vom behandelnden Arzt zu befolgen, können aber für den Arzt eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens bilden.

 

Jede andere Patientenverfügung, bei der ein oder mehrere Merkmale der Formvorschriften der verbindlichen Verfügung fehlen, ist dennoch bei der Behandlung zu berücksichtigen. Diese gibt dem Arzt insofern einen „Spielraum“ bei seinen Entscheidungen, als diese Verfügung nicht zwingend zur Anwendung kommen muss, aber für die Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens heranzuziehen ist. Sie ist umso mehr zu berücksichtigen, je zeitnäher sie formuliert wurde, je konkreter die darin enthaltenen Ablehnungen formuliert sind, je mehr Kriterien einer verbindlichen Verfügung eingehalten wurden etc. Es bleibt im konkreten Fall dem behandelnden Arzt vorbehalten, unter Einbeziehung der vorliegenden nicht verbindlichen Patientenverfügung und sonstiger relevanter Umstände im Einzelfall zu eruieren, welche Entscheidung der Patient im konkreten Fall getroffen hätte, wenn er seinen Willen noch kundtun könnte. In diesen Fällen erscheint es sinnvoll, die wesentlichsten Entscheidungsparameter für eine allfällige spätere Nachvollziehbarkeit zu dokumentieren. Für Fälle, in denen der behandelnde Arzt den Patientenwillen nicht sicher eruieren kann, ist die Bestellung eines Vertreters für den Patienten notwendig. Dieser entscheidet dann anstelle des Patienten über die Durchführung oder Nichtdurchführung einer medizinischen Behandlung.

 

Grundsätzlich verlieren Patientenverfügungen nach acht Jahren, oder nach entsprechend kürzer bestimmter Frist, ihre Gültigkeit, können aber erneuert werden. Eine Erneuerung ist nach Aufklärung durch einen Arzt möglich. Anders als bei der erstmaligen Errichtung der Patientenverfügung ist bei deren Verlängerung nicht zwingend eine rechtskundige Person beizuziehen, sondern kann die Erneuerung nach ärztlicher Aufklärung durch den Arzt vorgenommen werden. Im Hinblick darauf, dass es sich bei dieser Urkunde um ein Dokument handelt, bei dem es unter Umständen um Leben und Tod geht, ist es für den Arzt, der das Aufklärungsgespräch durchführt, ratsam, das nochmalige Aufklärungsgespräch auf einem Extrablatt, das der Patientenverfügung beigeheftet wird, zu dokumentieren. Darüber hinaus ist der Erneuerung ein Datum (Datum des Aufklärungsgesprächs) beizufügen.
Bei Patientenverfügungen, die nach alter Rechtslage abgeschlossen wurden (Anmerkung: vor 2019) verlängert sich die Gültigkeit automatisch von fünf auf acht Jahre und sind derartige Patientenverfügungen ebenfalls erst nach acht Jahren ab Ausstellungsdatum zu erneuern.

 

Jede Patientenverfügung, die entweder durch Anwendung von Druck und Zwang zustande gekommen ist, deren Inhalt strafrechtlich nicht zulässig ist (z.B. Ablehnung einer medizinischen Behandlung für eine dritte Person), oder aber sich der Stand der Wissenschaft erheblich seit Errichtung geändert hat, ist unwirksam. Darüber hinaus kann der Patient jederzeit und in jeder möglichen Form auch im konkreten Behandlungskontext von einer Patientenverfügung zurücktreten und das auch dann, wenn mittlerweile seine Entscheidungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist. Der Rücktritt kann daher auch durch schlüssiges Verhalten kundgetan werden, in dem der Patient seinen Lebens- bzw. Behandlungswillen klar und eindeutig zum Ausdruck bringt oder zu erkennen gibt, dass seine Entscheidung in der Patientenverfügung nicht mehr gelten soll (z.B. Bitte an den behandelnden Arzt, dass dieser ihm helfen soll; ihn nicht sterben lassen soll).Gerade nicht unwirksam ist eine Patientenverfügung dann, wenn zwar die gesetzlich festgelegte Gültigkeitsdauer von acht Jahren abgelaufen ist, aber der Patient während der Laufzeit der Verfügung seine Entscheidungsfähigkeit verloren hat.

 

Da es kein gesetzlich eingerichtetes Patientenverfügungsregister gibt, ist der Arzt – soweit er nicht dienstrechtlich dazu verpflichtet wird (z.B. durch Dienstanweisung des Rechtsträgers im Spital) – nicht zur Abfrage der bestehenden – von verschiedenen Institutionen eingerichteten – Registern verpflichtet. Grundsätzlich muss der Patient dafür Sorge tragen, dass die Patientenverfügung in den Verfügungsbereich des Arztes kommt („Bringschuld“ des Patienten). Umgekehrt darf jedoch die mögliche Kenntnisnahme auch nicht vereitelt werden. In einer Krankenanstalt ist eine aufgefundene oder zugegangene Verfügung zur Krankengeschichte aufzunehmen. In der Novellierung des Patientenverfügungsgesetzes im Jahr 2018 wurde die gesetzliche Speichermöglichkeit von Patientenverfügungen in ELGA geschaffen, die allerdings erst wirksam wird, wenn eine entsprechende Verordnung dazu erlassen wird. Die Speicherung erfolgt dann entweder durch die rechtskundige Person, den Betroffenen selbst oder die ELGA-Ombudsstelle. Da es eine solche Verordnung (Stand: Dezember 2020) noch nicht gibt, gibt es für Ärzte noch keine Verpflichtung, das Bestehen einer Patientenverfügung in ELGA zu erheben.

 

Im Notfall – wenn also keine Zeit für die Durchsicht der Papiere bleibt – braucht nicht nach einer Verfügung gesucht zu werden. Der Patientenverfügung kommt daher bei deren Unkenntnis keinerlei Bedeutung zu. Gegenteiliges gilt jedoch dann, wenn dem behandelnden Arzt die Verfügung bekannt ist.

 

Eine gesetzlich zwingend vorgesehene Voraussetzung zur Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung ist unter anderem ein ärztliches Aufklärungsgespräch und dessen Bestätigung, in dem vom Arzt vor allem auch auf die Folgen der geplanten Ablehnung hinzuweisen ist. Die Mitwirkung an der Erstellung einer Patientenverfügung kann jedoch (ohne Angabe von Gründen) von jedem Arzt abgelehnt werden. Es besteht keinerlei Mitwirkungspflicht. Übernimmt der Arzt die Tätigkeit, ist diese Leistung grundsätzlich nicht im Aufgabenfeld der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten und es kann ein privatärztliches Honorar verrechnet werden. Für dieses privatärztliche Honorar gibt es einen Empfehlungstarif der Österreichischen Ärztekammer in Höhe von € 120 je angefangener halben Stunde (Stand: Dezember 2020).

 

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