4. Berufspflichten

Jeder Arzt ist verpflichtet, seinen Beruf persönlich auszuüben. Das bedeutet, dass er grundsätzlich ärztliche Leistungen selbst zu erbringen hat (und die von ihm zu erbringenden ärztlichen Leistung nur unter den gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen an einen Angehörigen eines nichtärztlichen Gesundheitsberufs oder einen Laien delegieren kann). Eine Vertretung durch einen anderen Arzt verstößt aber nicht gegen das Gebot der persönlichen Berufsausübung.

Aus der Pflicht zur unmittelbaren ärztlichen Berufsausübung ergibt sich das Verbot der Fernbehandlung. Unmittelbarkeit bedeutet, dass sich der Arzt einen persönlichen Eindruck vom Zustand des Patienten verschaffen muss. In welcher Form sich der Arzt vom persönlichen Zustand des Patienten überzeugt, ergibt sich aber aus den Regeln der ärztlichen Kunst. Diese kann eine körperliche Untersuchung des Patienten verlangen, oder auch nur die Begutachtung eines Röntgenbilds oder eines Gewebepräparats.

Zulässig ist daher auch die telefonische oder sonstige telemedizinische Betreuung eines Patienten, wenn eine solche lege artis möglich ist (etwa telefonische Ratschläge bezüglich des Absetzens von Medikamenten bei Nachlassen der Beschwerden). Hingegen würde es gegen das Unmittelbarkeitsgebot verstoßen, wenn ein Arzt im Rahmen von Zeitschriften einem Patienten konkrete Behandlungsvorschläge macht.

 

Der Arzt kann Leistungen an Angehörige anderer Gesundheitsberufe delegieren, wenn diese vom Kompetenzumfang des jeweiligen Gesundheitsberufs umfasst sind (z.B. an Pflegeberufe, medizinisch-technische Berufe, Sanitätshilfsdienste). Der Arzt muss dafür einstehen, dass die Anordnung richtig ist (Anordnungsverantwortung), während die Verantwortung für die Umsetzung bei der Person liegt, die die Leistung erbringt (Durchführungsverantwortung). Wie weit die Aufsichtspflicht des Arztes geht, bestimmt sich nach den Berufsregeln der Person, die die Leistung durchführt. So besteht etwa grundsätzlich keine Aufsichtspflicht gegenüber Angehörigen des gehobenen medizinisch-technischen Dienstes (z.B. Physiotherapeuten, logopädisch-phoniatrisch-audiologischer Dienst) oder für die medizinischen Tätigkeiten der diplomierten Krankenpflegeberufe (z.B. Verabreichung von Arzneimitteln oder Injektionen, Blutentnahmen, Setzen von transurethralen Kathetern, Legen von Magensonden).

 

Ein Arzt kann zur Unterstützung Laien (Personen ohne Ausbildung in einem Gesundheitsberuf) heranziehen, wenn diese nach seinen genauen Anordnungen und unter seiner ständigen Aufsicht handeln (z.B. Unterstützung durch Sprechstundenhilfen ohne Ordinationsgehilfenausbildung). Dabei kann es sich allerdings nur um Hilfstätigkeiten handeln, wie etwa die Unterstützung des Arztes beim Anlegen von Verbänden, die Vorbereitung und Zureichung von medizinischen Instrumenten oder die Bedienung medizinischer Apparate.

 

Unter bestimmten Bedingungen können Leistungen vom Arzt an Laien (Personen ohne Ausbildung in einem Gesundheitsberuf) delegiert werden, die diese Leistungen in seiner Abwesenheit erbringen, und zwar
►    An Angehörige des Patienten, Personen, in deren Obhut der Patient steht (z.B. Lehrer, Kindergärtner) oder Personen, die zum Patienten in einem örtlichen und persönlichen Naheverhältnis stehen (Nachbarn) kann der Arzt auf einen bestimmten Patienten bezogene, einzelne, konkrete Maßnahmen delegieren. Er hat sich dabei zu vergewissern, dass die Person, an die delegiert wird, über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt und er muss diese Person genau anleiten.
►    An Betreuungskräfte nach dem Hausbetreuungsgesetz bzw. Personenbetreuer nach der
Gewerbeordnung können vom Arzt bezogen auf einzelne Patienten bestimmte Tätigkeiten delegiert werden, wie die Verabreichung von Arzneimitteln, das Anlegen von Bandagen und Verbänden, die Verabreichung von subkutanen Insulininjektionen und subkutanen Injektionen von blutgerinnungshemmenden Arzneimitteln, die Blutentnahme aus der Kapillare zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels mittels Teststreifens, einfache Wärme- und Lichtanwendungen sowie weitere einzelne ärztliche Tätigkeiten mit vergleichbarem Schwierigkeitsgrad. Die Delegierung hat schriftlich zu erfolgen und setzt voraus, dass die Betreuungstätigkeit in einem Privathaushalt mit höchstens drei zu betreuenden Menschen erfolgt, in dem der Betreuende zumindest mehrmals wöchentlich über längere Zeiträume anwesend ist.

 

Für die ärztliche Tätigkeit gilt das Prinzip der Therapiefreiheit. Dem Arzt kommt daher die freie Therapiewahl zu. Er hat sich dabei allerdings im Rahmen der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bewegen und seine Entscheidung auf der sachlichen Ebene der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung zu treffen.

 

Ärzte sind verpflichtet, nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und der Erfahrung vorzugehen, woraus sich ein Vorrang der Schulmedizin ergibt. Nur dann, wenn schulmedizinische Maßnahmen versagt haben, gar nicht zur Verfügung stehen oder nur komplementär zu schulmedizinischen Methoden eingesetzt werden, ist die Anwendung von Komplementärmedizin gestattet.

 

Bei der Anwendung von noch nicht erprobten Heilmethoden im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung ist zwischen zwei Fällen zu unterscheiden, nämlich dem therapeutischen und dem rein wissenschaftlichen Versuch. Der Therapeutische Versuch ist dadurch gekennzeichnet, dass er an Kranken mit dem Ziel der Heilung angewandt wird. Rein experimentelle Eingriffe haben hingegen keinen Heilbehandlungscharakter und dienen nicht der Behandlung des Probanden. Therapeutische Versuche sind nur zulässig, wenn der Prüfungsteilnehmer nach entsprechender, umfassender Aufklärung freiwillig zugestimmt hat und der voraussichtliche Nutzen das Risiko überwiegt. Bei rein experimentellen wissenschaftlichen Eingriffen ohne Heilbehandlungscharakter ist überdies Voraussetzung, dass dem Probanden keine wesentliche Beeinträchtigung droht.

Bei nicht einwilligungsfähigen Patienten (z.B. Kinder, Demenzkranke, Koma- oder Notfallpatienten) ist mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ein therapeutischer Versuch zulässig, wenn die
nötigen Prüfungsergebnisse nicht auch bei Einwilligungsfähigen erzielt werden können. Überdies wird verlangt, dass die klinische Prüfung nur ein minimales Risiko und eine minimale Belastung mit sich bringt.

 

Der Arzt ist verpflichtet, sich laufend gemäß der von der Österreichischen Ärztekammer erlassenen Fortbildungsverordnung fortzubilden. Diese sieht einen Fortbildungsumfang von 250 Fortbildungspunkten (ein Punkt entspricht einer Fortbildungsdauer von 45 Minuten) innerhalb von jeweils 5 Jahren vor. Ärzte, die zur selbständigen Berufsausübung berechtigt sind, haben alle drei Jahre ihre absolvierte Fortbildung gegenüber der Österreichischen Ärztekammer glaubhaft zu machen.

 

Verletzt der Arzt seine Fortbildungspflicht, kann dies von den Disziplinarbehörden geahndet werden, in extremen Fällen sogar zur Streichung aus der Ärzteliste führen. Außerdem wird der Arzt schadenersatzpflichtig, wenn er aufgrund mangelhafter Fortbildung Patienten nicht nach dem aktuellen Stand der Medizin betreut. Besonderes gilt für Notärzte. Diese verlieren ihre Berechtigung zur Teilnahme an organisierten Notarztdiensten verlieren, wenn sie nicht mindestens alle drei Jahre eine zweitägige theoretische und praktische Fortbildungsveranstaltung absolvieren.

 

Grundsätzlich steht es dem Arzt frei, ob er mit einem Patienten einen Behandlungsvertrag abschließen möchte. Dies gilt allerdings nicht für Erste-Hilfe-Leistungen im Falle drohender Lebensgefahr, zu der jeder Arzt verpflichtet ist. Darüber hinaus ergeben sich Behandlungsverpflichtungen aus den Kassenverträgen, nach denen Kassenärzte grundsätzlich zur Behandlung von Versicherten der Kasse verpflichtet sind, mit der ein Vertrag besteht, sofern sie keinen triftigen Ablehnungsgrund geltend machen können.

 

Die Pflicht zur Ersten Hilfe besteht nur im Fall drohender Lebensgefahr und nur bei örtlicher Nähe. Das bedeutet, dass der Arzt Erste Hilfe leisten muss, wenn wahrscheinlich nicht vor ihm andere ärztliche Hilfe vor Ort zu erwarten ist.

 

Jeder niedergelassene Arzt ist verpflichtet, die nach Art seiner Praxis und nach den örtlichen Verhältnissen für die Erste-Hilfe-Leistung in dringenden Fällen notwendigen Arzneimittel vorrätig zu halten.

 

Der Arzt ist berufsrechtlich verpflichtet, ärztliche Bestätigungen nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen auszustellen. Dies bedingt aber nicht in jedem Fall eine vorangehende persönliche Untersuchung. Hängt die Beurteilung nur von der Schilderung der Symptomatik durch den Patienten selbst ab, kann ein ärztliches Zeugnis auch aufgrund telefonischer Mitteilungen erstellt werden.

 

Der Patient soll vom Arzt nicht durch Werbemittel zur Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen überredet werden, wie dies bei kommerzieller Werbung der Fall ist. Hingegen ist es zulässig, Patienten sachlich und wahrheitsgemäß zu informieren.

Dem Arzt sind nach seinem Berufsrecht unsachliche, unwahre und das Standesansehen beeinträchtigende Informationen verboten.

Unwahr sind alle Informationen, die den Tatsachen nicht entsprechen.

Unsachlich sind Informationen, die wissenschaftlichen Erkenntnissen oder medizinischer Erfahrung widersprechen (etwa die Vorspiegelung eines sicheren Behandlungserfolgs). Unsachlich ist aber auch eine Information, die ohnehin Selbstverständliches vermittelt (so etwa, wenn ein niedergelassener Internist darauf hinweist, dass er EKG’s durchführt). Unsachlich ist schließlich eine Information über Leistungen, die mit Hinweisen verknüpft werden, die nichts mit der Qualität dieser Leistung zu tun haben. Unsachlich ist auch die Erzielung eines „psychologischen Kaufzwangs“, also etwa die Ankündigung „begrenzter Termine“ oder zeitlich begrenzter Sonderangebote.

Das Standesansehen beeinträchtigen Informationen, wenn sie
►    herabsetzende Äußerungen über Kollegen enthalten,
►    wahrheitswidrig Exklusivitätsanspruch erheben,
►    die eigene Person oder die eigenen ärztlichen Leistungen marktschreierisch anpreisen.

 

Marktschreierisch sind vor allem Formulierungen, bei denen klar ist, dass sie nur als Übertreibung gemeint sind. Formulierungen, die in der gewerblichen Werbung zulässig sind, wie etwa der Hinweis auf eine „modernst“ ausgestattet Ordination, sind dem Arzt bei der Information über die eigenen Leistungen verboten. Ebenso sind dem Arzt Informationen an Patienten mit reklamehaften Kommunikationsmitteln verboten, wie etwa Plakatserien oder die Zusendung von als Privatpost getarnten Werbemitteln in Form von Postkarten.

 

Der Arzt darf natürlich über den Preis seiner Leistungen informieren. Er darf aber keine Preiswerbung betreiben, etwa mit dem Hinweis auf Rabatte Patienten zur Inanspruchnahme von Leistungen bewegen.

Standeswidrige Information ist nicht nur dem Arzt verboten. Auch Dritte, wie etwa Medieninhaber, machen sich eines Gesetzesverstoßes schuldig, wenn sie für einen Arzt in standeswidriger Weise werben.

Der Arzt ist verpflichtet, bei Medienkontakten in zumutbarer Weise dafür zu sorgen, dass über ihn erscheinende Artikel keine standeswidrige Werbung enthalten.

 

Ein Arzt darf keine materiellen Vorteile annehmen oder einem anderen Arzt dafür zusagen, dass Patienten zugewiesen werden oder dass bestimmte Leistungen erbracht werden (z.B. bestimmte Arzneimittel verschrieben oder bestimmte Heilbehelfe empfohlen werden). Dieses Verbot richtet sich nicht nur an Ärzte. Auch Dritten ist es verboten, Ärzten materielle Vorteile für die Erbringung bestimmter Leistungen zu versprechen.

 

Ein Arzt, der gegen das Werbeverbot verstößt, kann sowohl von den Disziplinarbehörden als auch von der Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft/Magistrat) bestraft werden. Praktisch empfindlicher ist, dass Ärzte, die gegen das Werbeverbot verstoßen, nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von anderen Ärzten oder von der Ärztekammer auf Unterlassung geklagt werden können (was erhebliche Prozesskosten nach sich ziehen kann).

 

Sowohl in den Krankenanstaltengesetzen als auch im Ärztegesetz sind Dokumentationspflichten der Ärzte verankert. Die Dokumentation dient einerseits der Gedächtnisstütze des Arztes und ermöglicht damit eine fachgerechte Behandlung. Sie dient aber auch der Beweissicherung, vor allem wenn es um die Klärung von Zwischenfällen im Rahmen von Schadenersatzprozessen geht. Darüber hinaus hat die Dokumentation auch Bedeutung für Abrechnungszwecke (z.B. für Kassenabrechnungen, bei der Geltendmachung von Honoraransprüchen gegenüber Privatpatienten, bei der Abrechnung von Leistungen der Krankenanstalt gegenüber den für die Krankenanstaltenfinanzierung zuständigen Fonds oder gegenüber den privaten Zusatzkrankenversicherungen).

 

Im Wesentlichen hat die ärztliche Dokumentation Aufzeichnungen über den Zustand des Patienten bei Übernahme der Beratung oder Behandlung, die Anamnese, die Diagnose, den Krankheitsverlauf sowie über Art und Umfang der beratenden, diagnostischen oder therapeutischen Leistungen zu enthalten. Hinsichtlich des Inhalts werden an die Dokumentation in Krankenanstalten strengere Anforderungen als bei niedergelassenen Ärzten gestellt.

 

Der Arzt kann seine Dokumentation sowohl händisch als auch elektronisch führen. Er muss sie in einer Form führen, dass sie auch für andere Berufskollegen nachvollziehbar ist.

 

Nachträgliche Korrekturen sind sogar geboten, wenn inhaltlich falsche Eintragungen richtigzustellen sind. Allerdings muss bei Korrekturen nachvollziehbar sein, durch wen und wann sie erfolgt sind.

 

Niedergelassene Ärzte haben die ärztliche Dokumentation mindestens zehn Jahre aufzubewahren. Eine längere Aufbewahrungsfrist besteht für Krankengeschichten in Krankenanstalten. Diese sind dreißig Jahre aufzubewahren. Lediglich für Röntgenbilder und andere Bestandteile von Krankengeschichten, deren Beweiskraft nicht dreißig Jahre hindurch gegeben ist, sowie für Krankengeschichten, die sich auf ambulante Behandlungen beziehen, gilt – so wie im niedergelassenen Bereich – eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren.

 

Verletzt der Arzt seine Dokumentationspflicht, kann dies von den Disziplinarbehörden oder den Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft/Magistrat) bestraft werden. Dazu kommt, dass den Arzt im Gerichtsprozess eine sogenannte „Beweislastumkehr“ trifft. Das bedeutet, dass die Gerichte von der Vermutung ausgehen, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme vom Arzt auch nicht gesetzt worden ist. Der Arzt kommt daher in einen Beweisnotstand, weil er durch andere verlässliche Beweismittel seine Angaben bestätigen muss.

 

Grundsätzlich ist dem Patienten Einsicht in die ärztliche Dokumentation zu gewähren. Dies gilt allerdings nicht für persönliche Bemerkungen, die der Arzt in der Dokumentation vermerkt.

 

Der Patient hat auch ein Recht, Kopien oder Ausdrucke seiner Krankengeschichte zu erhalten. Gegenüber niedergelassenen Ärzten und – in den meisten Bundesländern auch gegenüber Krankenanstalten – ist der Patient allerdings verpflichtet, dafür Kostenersatz zu leisten.

 

Nur ausnahmsweise kann das Einsichts- bzw. Herausgaberecht des Patienten bezüglich der ärztlichen Dokumentation eingeschränkt werden, wenn die Verweigerung dem Wohl des Patienten dient. Dieses „therapeutische Privileg“ kommt allerdings nur ausnahmsweise, etwa gegenüber psychiatrischen Patienten, in Frage.

 

Wenn es dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entspricht, können auch Hinterbliebene (etwa im Zusammenhang mit Schadenersatzprozessen wegen behaupteter Kunstfehler) die Herausgabe der Krankengeschichte verlangen.

 

Wird eine Ordination geschlossen, ändert dies grundsätzlich nichts an der Aufbewahrungspflicht. Der Arzt hat für die restliche gesetzliche Aufbewahrungsdauer die Dokumentation aufzubewahren und dafür zu sorgen, dass seine ehemaligen Patienten von ihrem Einsichtsrecht weiterhin Gebrauch machen können.

Wird aber die Kassenstelle wieder besetzt oder wird die Ordination sonst an einen Nachfolger übertragen, ist dieser verpflichtet die ärztliche Dokumentation vom Vorgänger zu übernehmen und weiterhin aufzubewahren. Er darf sie nur mit Zustimmung des jeweiligen Patienten zur Erbringung ärztlicher Leistungen verwenden. Eine derartige Zustimmung ergibt sich allerdings schon daraus, dass sich der Patient in seine Behandlung begibt.

 

Verstirbt ein niedergelassener Arzt und kann die ärztliche Dokumentation nicht an einen Ordinationsnachfolger weitergegeben werden, haben die Erben die Dokumentation dem Amt der zuständigen Landesregierung zu übergeben. Dieses hat gegen Kostenersatz für die weitere Aufbewahrung zu sorgen.

 

Das ärztliche Berufsgeheimnis ist einer der Eckpfeiler der ärztlichen Berufspflichten. Ohne ihn ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt undenkbar, das Voraussetzung dafür ist, dass sich der Patient dem Arzt rückhaltlos anvertrauen und alle für die Betreuung wichtigen Informationen offenbaren kann.

 

Die ärztliche Verschwiegenheitspflicht gilt für alle Ärzte, gleichermaßen für niedergelassene, Wohnsitz- und angestellte Ärzte. Sie erlischt auch nicht mit dem Ausscheiden aus der Ärzteliste.

Darüber hinaus trifft die Verschwiegenheitspflicht auch jeden, der den Arzt bei seiner Tätigkeit unterstützt (z.B. Sprechstundenhilfen, Ordinationshilfen, nichtärztliche Gesundheitsberufe, Reinigungspersonal), unabhängig davon, ob er nach eigenen berufsrechtlichen Vorschriften zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.

 

Von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht geschützt sind „Geheimnisse“. Darunter sind Tatsachen zu verstehen, die nicht allgemein zugänglich und nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und bei denen ein Interesse des Betroffenen besteht, dass sie geheim bleiben. Unter die ärztliche Verschwiegenheitspflicht fallen nicht nur Geheimnisse des Patienten, sondern auch Informationen über außenstehende Dritte, die dem Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung zur Kenntnis kommen.

Das ärztliche Berufsgeheimnis gilt gegenüber jedermann. Es gilt daher auch gegenüber Berufskollegen, Familienangehörigen oder Arbeitgebern des Patienten. Auch dass der Empfänger einer Information selbst einer Verschwiegenheitspflicht unterliegt (wie etwa beim Informationsaustausch zwischen Ärzten) ändert nichts an der Unzulässigkeit der Weitergabe von Informationen.

 

Die ärztliche Verschwiegenheitspflicht kann durchbrochen werden, wenn

►    der Geheimnisträger (der Patient oder der sonst vom Geheimnis betroffene Dritte) den Arzt vom Berufsgeheimnis entbunden hat;
►    wenn eine gesetzliche Meldepflicht für den Arzt besteht;
►    wenn die Durchbrechung des Berufsgeheimnisses zum Schutz höherwertiger Interessen erforderlich ist;
►    wenn es um die Weitergabe von für die Behandlungskontinuität unerlässlichen Eckdaten von einwilligungsunfähigen Patienten an den Pflegenden geht;
►    unter bestimmten Bedingungen (siehe unten) in behördlichen Verfahren (Gerichts- oder Verwaltungsverfahren);
►    unter bestimmten Bedingungen (siehe unten) gegenüber Kostenträgern für die ärztliche Behandlung (Krankenversicherungsträger, Gebietskörperschaften, Gesundheitsfonds).

 

Der Anspruch auf Einhaltung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht ist ein Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Es kann daher nur der von der Informationsweitergabe Betroffene den Arzt von der Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht entbinden.

Dies gilt grundsätzlich auch bei minderjährigen Patienten. Sofern sie über die nötige Einsichtsfähigkeit zur Beurteilung der Tragweite einer Entbindung verfügen, können nur sie selbst entbinden. Ist das nicht der Fall, kommt das Recht zur Entbindung vom Berufsgeheimnis den Erziehungsberechtigten zu.

 

Die Entbindung vom Berufsgeheimnis muss nicht schriftlich erfolgen, es reicht eine mündliche Erklärung oder – was in der Praxis am häufigsten vorkommen wird – konkludentes Verhalten. Unter konkludentem oder schlüssigem Verhalten versteht man, dass es ausreicht, wenn der Patient durch sein Verhalten klar zu erkennen gibt, dass ihm an einer Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht nichts liegt. Wenn dem Patienten beispielsweise klar ist, dass im Rahmen einer Behandlung weitere Ärzte beigezogen werden (etwa bei Einsendung von Blut an ein Labor), ist auch eine schlüssige Zustimmung zur Aufdeckung des Berufsgeheimnisses gegenüber den weiteren an der Behandlung beteiligten Ärzten anzunehmen.

Setzt der Patient allerdings gar kein Verhalten, weil er dazu nicht in der Lage ist (etwa bei Einlieferung eines Bewusstlosen in eine Krankenanstalt), stellt sich die Frage, inwieweit eine Durchbrechung des Berufsgeheimnisses gegenüber Angehörigen zulässig ist. Die Weitergabe von Informationen an Angehörige ist in diesen Fällen dann zulässig, wenn vernünftiger Weise davon ausgegangen werden kann, dass der Patient damit einverstanden wäre. Dies ergibt sich daraus, dass vom Berufsgeheimnis nur Informationen erfasst sind, von denen anzunehmen ist, dass der Patient ein Interesse an Geheimhaltung hat.

 

Da das Berufsgeheimnis dem Schutz der Gesundheit des Patienten dient und zu befürchten ist, dass es zu einer Gefahr für Leib und Leben kommt, wenn der Patient nicht auf die Verschwiegenheit des Arztes vertrauen könnte, ist eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht wegen höherwertiger Interessen nur unter engen Bedingungen gestattet.

Voraussetzung für eine Durchbrechung des Berufsgeheimnisses ist vor allem, dass damit eine unmittelbare, konkrete und mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr für Leib und Leben Dritter abgewendet wird. Voraussetzung ist ferner, dass die Durchbrechung einziges Mittel ist, Dritte vor dieser Gefahr zu schützen. Die Weitergabe der Information ist unzulässig, wenn einigermaßen verlässlich anzunehmen ist, dass die von der Krankheit des Patienten ausgehende Gefahr durch Medikamente oder sonstige Behandlungsmaßnahmen oder durch die Einhaltung von Verhaltungsanweisungen beherrscht werden kann.

 

In einem gerichtlichen Zivilverfahren, in Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren ist der Arzt grundsätzlich an seine Verschwiegenheitspflicht gebunden und muss die Aussage verweigern. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arzt vom Patienten oder vom sonst vom Berufsgeheimnis betroffenen Dritten von der Verschwiegenheitspflicht entbunden wurde.

Darüber hinaus ist eine Aussage nur zulässig, wenn höherwertige Interessen die Durchbrechung des Berufsgeheimnisses rechtfertigen. Ob solche höherwertigen Interessen bestehen, hat der Arzt selbst zu entscheiden. Eine Entbindung durch den Richter ist nicht vorgesehen. Derartige höherwertige Interessen werden vor allem in Außerstreitverfahren angenommen, wenn es um das Wohl minderjähriger Kinder geht (etwa bei einem Obsorgestreit zwischen den Elternteilen).

Kein Entschlagungsrecht aus dem Titel des Berufsgeheimnisses besteht, wenn der Arzt als Zeuge vor einem Strafgericht geladen ist. Vor dem Strafgericht können sich nur Psychiater auf das Berufsgeheimnis berufen.

 

Der Arzt ist nicht an das Berufsgeheimnis gebunden, wenn er selbst eine Klage gegen einen Patienten einbringt (z.B. wegen nicht bezahlter Honorare) oder wenn er vom Patienten geklagt wird (z.B. auf Schadenersatz wegen Behandlungsfehler). Er ist auch nicht an das Berufsgeheimnis gebunden, wenn gegen ihn ein Strafverfahren läuft (etwa wegen fahrlässiger Körperverletzung im Zusammenhang mit Kunstfehlern). Hingegen gilt das Berufsgeheimnis sehr wohl gegenüber Verwaltungsbehörden, etwa gegenüber dem Finanzamt (im Zuge von Steuerprüfungen beim Arzt).

 

Der Arzt hat in dem für die Abrechnung notwendigen Umfang Patientendaten an Krankenkassen und Krankenfürsorgeanstalten weiterzugeben. Diese Ausnahme vom Berufsgeheimnis gilt auch gegenüber dem Land, wenn etwa die Kosten für Impfungen übernommen werden oder wenn das Land als Sozialhilfeträger Krankenbehandlungen bezahlt.

Die Ausnahme gilt hingegen nicht gegenüber privaten Krankenversicherungen. Daher erfordert die Weitergabe von Patientendaten eine ausdrückliche, in diesem Fall sogar schriftliche Zustimmung des Patienten. Hat der Patient – was die Regel ist – vorweg schon bei Abschluss des Versicherungsvertrags seine generelle Zustimmung erteilt, ist er vor jeder konkreten Anfrage an einen Arzt durch die Versicherung zu informieren und kann innerhalb von 14 Tagen seine ursprüngliche Zustimmung widerrufen. Besonderes gilt für die Übernahme der Kosten eines Sonderklasseaufenthalts: Erteilt der Patient den Auftrag zur Direktabrechnung, muss er auch die Zustimmung zur Weitergabe der abrechnungsrelevanten Daten und Unterlagen an seine Zusatzversicherung geben.

 

Verstößt der Arzt gegen seine Verschwiegenheitspflicht, kann er über Antrag des vom Berufsgeheimnis Geschützten (des Patienten oder des sonst betroffenen Dritten) strafgerichtlich verurteilt werden. Außerdem droht dem Arzt eine Strafe durch die Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft/Magistrat) sowie ein Disziplinarverfahren. Schließlich kann der Arzt auch schadenersatzpflichtig werden, wenn der Patient einen Schaden erleidet. Wird der Patient durch die Weitergabe seiner Daten in der Öffentlichkeit bloßgestellt, umfasst der Schadenersatzanspruch auch eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

 

Der Arzt ist zur Weitergabe von Patienteninformationen nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, wenn ihn gesetzliche Meldepflichten treffen. Solche Meldepflichten sind sowohl im Ärztegesetz, als auch in anderen den Gesundheitsbereich regelnden Gesetzen, vor allem im Interesse der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, vorgesehen.

 

Wenn sich für den Arzt der Verdacht ergibt, dass der Patient Opfer einer Straftat geworden ist, ist bezüglich der Meldepflicht zwischen volljährigen Patienten einerseits und Minderjährigen bzw. Volljährigen, die ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen können (etwa geistig Beeinträchtigte) zu unterscheiden.

 

Bei volljährigen Patienten gilt, dass den Arzt eine Pflicht zur Anzeige an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft trifft, wenn der Patient getötet oder schwer am Körper verletzt wurde und Verdacht auf Fremdverschulden besteht, sowie bei Verdacht auf eine Vergewaltigung.

Fremdverschulden liegt nicht nur dann vor, wenn die schwere Körperverletzung oder die Tötung vorsätzlich begangen wurde, sondern auch wenn bloße Fahrlässigkeit vorliegt, die Schadensfolge also durch unabsichtliches Fehlverhalten des Schädigers ausgelöst wurde.

 

Eine schwere Körperverletzung liegt vor, wenn die Gesundheitsschädigung entweder länger als 24 Tage andauert oder „an sich“ schwer ist. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn wichtige Organe oder Körperteile in einer Weise beeinträchtigt werden, dass damit wesentliche Funktionseinbußen oder erhebliche Veränderungen des äußeren Erscheinungsbilds verbunden sind (z.B. Knochenbrüche, Eröffnung von Körperhöhlen, schwere Gehirnerschütterung, erhebliche Verbrennungen, Verletzungen wichtiger Organe).

 

Ist das Opfer minderjährig oder zwar volljährig, aber nicht in der Lage, seine Interessen wahrzunehmen (z.B. weil er geistig behindert ist), ist nicht nur bei schwerer Körperverletzung oder Tötung die Polizei zu verständigen. Es besteht darüber hinaus eine Meldepflicht, wenn der Verdacht besteht, dass das Opfer misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist. Misshandlung ist jede unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht ganz unerheblich beeinträchtigt. Vernachlässigung liegt vor, wenn eine Fürsorge- oder Obhutspflicht gröblich verletzt wurde und dadurch die Gefahr einer Gesundheitsschädigung oder einer Beeinträchtigung der körperlichen bzw. geistigen Entwicklung ausgelöst wurde. Sexueller Missbrauch liegt bei allen geschlechtlichen missbräuchlichen Handlungen vor.

 

Die Anzeigepflicht entfällt, wenn der Patient sich ausdrücklich dagegen ausspricht und keine unmittelbare Gefahr für ihn oder Dritte besteht. Sie entfällt außerdem bei angestellten Ärzten, wenn der Dienstgeber die Erstattung der Anzeige übernimmt.

 

Bei minderjährigen Patienten entfällt die Anzeigepflicht, wenn sie das persönliche Vertrauensverhältnis zum Arzt gefährden würde und keine unmittelbare Gefahr für den Patienten oder Dritte besteht. Besteht ein Verdacht auf Misshandlung, Quälen, Vernachlässigen oder sexuellen Missbrauch, kann außerdem von der Anzeige abgesehen werden, wenn sich der Verdacht gegen Angehörige richtet und das Absehen von der Anzeige dem Wohl des Minderjährigen dient und eine Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger (gegebenen Falls auch mit einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt) sichergestellt ist.

 

Ergibt sich der begründete Verdacht auf Misshandlung, Quälen, Vernachlässigen oder sexuellen Missbrauch eines Minderjährigen oder darauf, dass dessen Wohl sonst erheblich gefährdet ist, besteht Anzeigepflicht an den örtlich zuständigen Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger, wenn dies zum Wohl des Minderjährigen erforderlich ist.

 

Um die Ausbreitung von ansteckenden schweren Erkrankungen zu verhindern, verpflichtet das Epidemiegesetz bei bestimmten Krankheiten Ärzte zur Anzeige an die Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft/Magistrat) in deren Gebiet sich der Kranke aufhält bzw. gestorben ist.

Ebenso sind übertragbare Geschlechtskrankheiten der Sanitätsbehörde zu melden. Im Unterschied zu den im Epidemiegesetz angeführten übertragbaren Erkrankungen gilt diese Meldepflicht allerdings nur dann, wenn sich der Kranke der ärztlichen Behandlung entzieht.

Nach dem AIDS-Gesetz hat der Arzt dem Gesundheitsministerium manifeste Erkrankungen und Todesfälle in anonymisierter Form (lediglich Initialen, Geburtsdatum, Geschlecht und relevante anamnestische und klinische Angaben) zu melden.

Das Tuberkulosegesetz sieht eine Meldepflicht an die Bezirksverwaltungsbehörde bei Todesfällen vor, sowie dann, wenn der Erkrankte der ärztlichen Behandlung oder Überwachung bedarf.

 

Aus Qualitätssicherungsgründen ist der Arzt zu einer Meldung an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen verpflichtet, wenn es bei der Verwendung von Arzneimitteln oder Medizinprodukten zu wesentlichen, bisher unbekannten Nebenwirkungen kommt.

 

Ergibt sich für den Arzt ein begründeter Verdacht einer Berufskrankheit, ist er verpflichtet, diesen der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) binnen fünf Tagen anzuzeigen.

 

Erfüllt der Arzt seine Meldepflicht im Zusammenhang mit dem Verdacht auf begangene Straftaten nicht, begeht er damit ein Disziplinarvergehen und kann von den Disziplinarbehörden bestraft werden. Erfüllt er sonstige gesetzliche Meldepflichten nicht (etwa die Meldepflicht bei übertragbaren Erkrankungen) droht ihm eine Verwaltungsstrafe.

 

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