4. Aufklärung

Untersuchungen oder Behandlungen eines Patienten dürfen ohne seine Zustimmung nicht vorgenommen werden. Zustimmen kann ein Patient allerdings nur dann, wenn er ausreichend informiert worden ist. Der Arzt schuldet dem Patienten also eine entsprechende Aufklärung. Verstößt der Arzt gegen die Aufklärungspflicht, so ist der Eingriff von der Zustimmung des Patienten nicht gedeckt und insgesamt rechtswidrig, auch wenn die Behandlung sorgfältig und fehlerfrei durchgeführt wird. Der Arzt haftet somit trotz ordnungsgemäßen Handels bei nicht ausreichender Aufklärung des Patienten für die durch die vorgenommene eigenmächtige Behandlung des Patienten entstandenen nachteiligen Folgen, etwa Komplikationen, wenn der Patient sonst in die Behandlung nicht eingewilligt hätte.

 

Ob und in wieweit eine Heilbehandlung vorgenommen wird, unterliegt der freien Entscheidung des Patienten. Dieses Selbstbestimmungsrecht übt er im Rahmen seiner Einwilligung aus, die er aufgrund einer zuvor erfolgten Aufklärung durch den Arzt erteilt. Jede ärztliche Behandlung, die einen Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten darstellt, erfüllt grundsätzlich den Tatbestand der Körperverletzung und ist an sich rechtswidrig. Erst durch die Einwilligung des Patienten wird sie gerechtfertigt.

 

Lediglich in Notsituationen, also bei ernstlicher Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Patienten, also in Situationen, die einen durch die Einholung der Zustimmung des Patienten oder eines gesetzlichen Vertreters bedingten Aufschub medizinischer Maßnahmen nicht dulden, dürfen diese auch ohne Einwilligung erfolgen.

 

In der Rechtssprechung haben sich anhand von zahlreichen Entscheidungen des OGH die wesentlichsten Leitsätze für die Aufklärung herausgebildet.

 

Aus der Rechtssprechung des OGH geht eindeutig hervor, dass die bloße Aushändigung und Unterfertigung so genannter Aufklärungsbögen bzw. Merkblätter nicht ausreichend ist, sondern dass zur Erfüllung der ärztlichen Aufklärungspflicht das unmittelbare, persönliche ärztliche Aufklärungsgespräch durch nichts ersetzt werden kann. Da in solchen Aufklärungsbögen und Merkblättern durchwegs medizinische Fachbegriffe enthalten sind, die auch einem halbwegs gebildeten Patienten unverständlich sind, spielt das ärztliche Gespräch eine umso wichtigere und entscheidende Rolle. Aufklärungsbögen und Merkblätter können somit lediglich zur Unterstützung herangezogen werden, im Vordergrund bleibt nach wie vor das persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patient. Sie eignen sich jedoch zur Bekräftigung und Dokumentation darüber, dass ein Gespräch stattgefunden hat. Es ist insbesondere empfehlenswert, auf den Aufklärungsbögen handschriftliche Notizen anzubringen, da diese den Schluss nahe legen, dass tatsächlich auch ein Gespräch stattgefunden hat.

 

Das Aufklärungsgespräch muss nicht notwendigerweise vom behandelnden Arzt durchgeführt werden, sondern kann auch an einen anderen kompetenten Arzt delegiert werden. Eine Delegation an nicht ärztliches Personal ist allerdings nicht zulässig.

 

Zum Umfang der Aufklärung lassen sich wiederum aus der Judikatur die wichtigsten Aspekte ableiten, die unbedingt berücksichtigt werden sollten.

 

Nach der Rechtssprechung des OGH muss der Patient auf jeden Fall über die so genannten typischen Gefahren aufgeklärt werden, wobei sich die Typizität nicht zwingend aus der Komplikationshäufigkeit ergibt, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist. Nicht aufgeklärt werden muss über atypische Risken, also solche, die nur in äußerst seltenen Fällen auftreten und anzunehmen ist, dass sie bei einem verständigen Patienten für seinen Entschluss, in die Behandlung einzuwilligen, nicht ernsthaft ins Gewicht fallen.

 

Ein weiterer Grundsatz besagt, dass die Aufklärungspflicht umso weiter reicht, je weniger dringlich der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten erscheint. Daraus ergibt sich, dass der Patient auch auf allenfalls bestehende alternative Behandlungsmethoden hingewiesen werden muss, insbesondere wenn der Eingriff nicht dringlich ist. Es hat dabei eine Abwägung zwischen den Vor- und Nachteilen, den verschiedenen Risiken, der verschieden starken Intensität des Eingriffes, den differierenden Folgen, Schmerzbelastungen und der verschiedenen Höhe der Erfolgsaussichten stattzufinden.

 

Nach dem Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen (ÄsthOpG) gibt es für reine Schönheitsoperationen, d. h. wenn keine medizinische Indikation vorliegt, strengere Vorschriften hinsichtlich der Aufklärung.

 

Auch ist der Arzt prinzipiell dazu verpflichtet, den Patienten dahingehend zu informieren, welche Verhaltens- und Lebensweisen für eine rasche Genesung förderlich sind. Dazu gehört auch ein Hinweis darauf, wann sich ein Patient zu weiterführenden Untersuchungen und Behandlungen wieder an einen Arzt bzw. an eine Krankenanstalt wenden soll. Somit stellt auch das Unterlassen der so genannten therapeutischen Aufklärung - darunter wird die mit ärztlichen Maßnahmen und Untersuchungen verbundene ärztliche Beratung des Patienten verstanden - prinzipiell einen Behandlungsfehler dar.

 

Für den Häufigkeitsgrad lassen sich keine allgemeinen Richtlinien angeben. Es kommt vielmehr auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an. Auch seltene Risiken können lebensbedrohlich sein oder wichtige Körperfunktionen treffen. Auf alle nur denkbaren Folgen der Behandlung muss der Arzt nicht hinweisen. Auf objektiv unbedeutende Risiken oder Nebenwirkungen ist nur dann hinzuweisen, wenn für den Arzt erkennbar ist, dass diese für den betroffenen Patienten aus besonderen Gründen wichtig sind. Nicht richtig sind solche Faustregeln, wonach bei Risiken über 10 % Wahrscheinlichkeit immer aufzuklären sei, bei Risken unter 1 % Wahrscheinlichkeit hingegen niemals.

 

Nach der Rechtssprechung des OGH muss die ärztliche Aufklärung grundsätzlich so rechtzeitig erfolgen, dass dem Patienten noch eine angemessene Überlegungsfrist bleibt. Die Dauer dieser Überlegungsfrist hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles und von der Dringlichkeit des ärztlichen Eingriffes ab. In der Praxis wird dies in der Regel so gehandhabt, dass bei geplanten Eingriffen das ärztliche Aufklärungsgespräch am Tag vor dem geplanten Eingriff stattfindet. Somit kann der Patient noch einmal „eine Nacht darüber schlafen“, womit in den meisten Fällen eine angemessene Überlegungsfrist gewährt worden ist.

 

Grundsätzlich muss der Patient selbst aufgeklärt werden, da es sich bei der Einwilligung zu einer ärztlichen Behandlung um ein höchst persönliches Recht handelt bzw. ist derjenige aufzuklären, der die Einwilligung zur Behandlung gegeben hat. Das heißt, dass also der volljährige urteilsfähige Patient immer selbst aufgeklärt werden muss.

Zur Behandlung und Aufklärung minderjähriger Personen siehe auch 01/ 2. Stellvertretung.

 

Die Beweislast für die ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten sowie die Einwilligung in die Behandlung trägt der Arzt bzw. die Krankenanstalt. Somit dienen die Dokumentation und das Gespräch auch der Beweissicherung und die Nichtdokumentation führt zu der Vermutung, dass die Aufklärung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Bei mangelnder oder fehlerhafter Aufklärung handelt der Arzt ohne Einwilligung und haftet in diesem Fall auch für eine lege artis durchgeführte Behandlung, sofern sie Schäden nach sich gezogen hat. Von seiner Haftung kann sich der Arzt nur dann befreien, wenn er beweisen kann, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zur Behandlung erteilt hätte.

 

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