3. Kassenrechtliche Schiedsinstanzen
Bei den kassenrechtlichen Schiedsinstanzen handelt es sich um besondere Verwaltungsbehörden, die geschaffen wurden, um Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Gesamt- oder Einzelverträgen abzuhandeln. Ordentliche Gerichte, die von einer Partei mit derartigen Streitigkeiten angerufen werden, haben die Klage wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen.
Aufgrund der Neueinführung der Landesverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts mit 1.1.2014 (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz) kam es zu einer Neuordnung der kassenrechtlichen Schiedsinstanzen. Einige Behörden wurden ab diesem Zeitpunkt obsolet oder ihre Aufgaben änderten sich. Ebenso änderten sich teilweise die Instanzenzüge. Nachdem die bisherige Judikatur der kassenrechtlichen Schiedsinstanzen allerdings weiterhin Bedeutung haben wird, wird im Folgenden der Vollständigkeit halber die Rechtslage vor dem 1.1.2014 noch dargestellt. Im Text bzw. in eckigen Klammern wird auf die alte bzw. neue Rechtslage hingewiesen.
Kommt es beispielsweise zu Abrechnungsdifferenzen zwischen dem einzelnen Vertragsarzt und einem Krankenversicherungsträger, sehen die Gesamtverträge eine einvernehmliche Streitbeilegung vor. Diese erfolgt im Rahmen einer sogenannten amikalen bzw. kollegialen Aussprache. Von Seiten des Krankenversicherungsträgers werden die Gespräche in der Regel vom Chefarzt oder einem Vertrauensarzt geführt, der Vertragsarzt ist berechtigt, das Gespräch unter Beisein einer Vertrauensperson (z.B. Mitarbeiter der Landesärztekammer) zu führen.
Kommt es in der amikalen bzw. kollegialen Aussprache zu keiner einvernehmlichen Streitbeilegung, so wird der Streitfall in einem Schlichtungsausschuss behandelt. Der Schlichtungsausschuss besteht aus je einem ärztlichen Vertreter der Landesärztekammer und des zuständigen Krankenversicherungsträgers. Es können weiters Referenten beigezogen werden. Der betroffene Vertragsarzt kann zu einer schriftlichen Stellungnahme oder zur Teilnahme an der Verhandlung eingeladen werden.
Der Schlichtungsausschuss trifft in weiterer Folge bei übereinstimmender Auffassung beider Mitglieder eine Vorentscheidung. Diese ist entsprechend zu begründen und dem Vertragsarzt und dem Krankenversicherungsträger bekannt zu geben. Darüber hinaus ist auf die Möglichkeit eines Einspruchs innerhalb von 14 Tagen hinzuweisen. Beide Parteien können innerhalb der 14tägigen Frist einen Antrag auf Entscheidung der paritätischen Schiedskommission stellen. Wird ein solcher Antrag nicht oder nicht fristgerecht gestellt, so gilt die Vorentscheidung des Schlichtungsausschusses als bindender Schiedsspruch und der Inhalt dieses Schiedsspruchs ist umzusetzen.
Trifft der Schlichtungsausschuss keine Vorentscheidung, was mitunter aufgrund der Stimmengleichheit vorkommen kann, so kann diejenige Partei, die den Schlichtungsausschuss angerufen hat – sofern sie das Verfahren weiterführen möchte – gleichsam einen Antrag zur weiteren Behandlung an die paritätische Schiedskommission stellen.
In jedem Bundesland wird nach dem ASVG in Verbindung mit der SchKV 2014 im Einzelfall eine paritätische Schiedskommission errichtet. Die SchKV 2014 regelt unter anderem die Geschäftsordnung dieser Schiedskommission und enthält detaillierte Regelungen zum Ablauf des Verfahrens. Die paritätische Schiedskommission ist zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zuständig, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Berufssitz des Vertragsarztes.
Die paritätische Schiedskommission besteht aus einem Richter des Ruhestands als Vorsitzenden und vier Beisitzern. Der Vorsitzende wird vom Bundesminister für Justiz für jeweils fünf Jahre bestellt und soll durch längere Zeit hindurch in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätig gewesen sein. Jeweils zwei Beisitzer – von denen je einer Arzt sein muss – werden von der zuständigen Ärztekammer und vom Krankenversicherungsträger bestellt. Die Kanzleigeschäfte werden in Jahren mit gerader Jahreszahl von der örtlich zuständigen Ärztekammer, in den Jahren mit ungerader Jahreszahl von der örtlich zuständigen Gebietskrankenkasse geführt.
Nach der bis 1.1.2014 geltenden Rechtslage bestand die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides, gegen diesen eine Berufung an die Landesberufungskommission einzubringen. Seit 1.1.2014 geht der Instanzenzug in diesen Fällen an das Bundesverwaltungsgericht.
Nach dem ASVG in Verbindung mit der SchKV 2010 [Rechtslage bis 31.12.2013] war für jedes Bundesland auf Dauer eine Landesberufungskommission zu errichten. Die Landesberufungskommission war eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag und ein Tribunal im Sinne der EMRK. Sie war letzte Instanz, wobei aber unter bestimmten Voraussetzungen gegen ihre Entscheidung eine Beschwerde an den VfGH möglich war.
Seit 1.1.2014 entscheidet an Stelle der Landesberufungskommission das Bundesverwaltungsgericht.
Für jedes Bundesland ist nach dem ASVG in Verbindung mit der SchKV 2014 auf Dauer eine Landesschiedskommission zu errichten. Sie besteht aus einem Richter des Ruhestands als Vorsitzendem und vier Beisitzern. Der Vorsitzende wird vom Bundesminister für Justiz für jeweils fünf Jahre bestellt und soll durch längere Zeit hindurch in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätig gewesen sein. Jeweils zwei Beisitzer werden im Einzelfall von der zuständigen Ärztekammer und vom Dachverband entsendet.
Die Landesschiedskommission ist als erste Instanz zuständig für Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Gesamtvertragsparteien über die Auslegung oder die Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrags. Weiters entscheidet sie über die Wirksamkeit einer Einzelvertragskündigung durch einen Krankenversicherungsträger. Außerdem erstreckt sich ihre Zuständigkeit auf Anträge über den Bedarf der Nachbesetzung einer Planstelle: Sofern sich die zuständige Ärztekammer und der zuständige Krankenversicherungsträger nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung eines Einzelvertrags über den Bedarf der Nachbesetzung dieser frei werdenden Planstelle einigen können, entscheidet die Landesschiedskommission auf Antrag einer der beiden Vertragsparteien über den Bedarf der Nachbesetzung.
Hinsichtlich der Führung der Kanzleigeschäfte gilt dasselbe wie bereits bei der paritätischen Schiedskommission ausgeführt. Gegen die Entscheidungen der Landesschiedskommission konnte bis 31.12.2013 Berufung an die Bundesschiedskommission erhoben werden. Seit 1.1.2014 kann Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.
Nach dem ASVG in Verbindung mit der SchKV 2014 ist eine Bundesschiedskommission zu errichten. Diese besteht aus einem aktiven Richter des Obersten Gerichtshofs als Vorsitzenden und aus vier Beisitzern wobei jeweils zwei Beisitzer von der Österreichischen Ärztekammer und vom Dachverband entsendet werden. Die Mitglieder und deren Stellvertreter werden vom Bundesministerium für Justiz für eine Amtsdauer von fünf Jahren bestellt.
Auf Antrag der Österreichischen Ärztekammer oder des Dachverbands kann die Bundesschiedskommission den Inhalt eines aufgekündigten Gesamtvertrags für die Dauer von höchstens drei Monaten festsetzen und einen allfälligen vertragslosen Zustand hinauszögern. Hintergrund dieser Möglichkeit ist, den Gesamtvertragsparteien Zeit für weitere Verhandlungen zu geben.