5. Honorierung der ärztlichen Leistung im Sozialversicherungssystem

Das Honorierungssystem ist in Österreich – je nach Krankenversicherungsträger – sehr unterschiedlich ausgestaltet. Deshalb können hier zum besseren Verständnis nur die Grundzüge dargestellt werden. Für Detailfragen ist es unumgänglich, die jeweiligen Gesamtverträge und Honorarordnungen der einzelnen Krankenversicherungsträger näher zu studieren.

Das ASVG sieht vor, dass die Vergütung der Tätigkeit von Vertragsärzten nach Einzelleistungen oder nach Pauschalmodellen zu vereinbaren ist. Das Gesetz umreißt damit die zwei Grundformen des Honorierungssystems, nämlich das Einzelleistungssystem und das Pauschalsystem

Beim Pauschalsystem geht es darum, dass es eine sogenannte Fallpauschale oder Grundvergütung gibt. Diese ist ein fixer Betrag pro Quartal (Abrechnungszeitraum) und behandeltem Patienten, der dem Vertragsarzt zusteht. Die Fallpauschale gebührt unabhängig davon, wie viele Arztkontakte durch den selben Patienten im Abrechnungszeitraum erfolgen. Der Vorteil dieses Honorierungssystems liegt in seiner Einfachheit der Abwicklung für den Arzt und den Versicherungsträger. Der Nachteil liegt darin, dass nicht berücksichtigt wird, wie aufwändig die Behandlung tatsächlich ist. Es besteht die Gefahr, dass die Behandlung auf ein Mindestmaß beschränkt wird oder dass der Patient nach der Erstbehandlung an eine andere Stelle (z.B. in eine Krankenanstalt oder an einen [Fach-]Arzt) weiterverwiesen wird.

Das Einzelleistungssystem ist derart ausgestaltet, dass jeder Arztkontakt einzeln vergütet wird. Dieses System geht also mehr auf die konkrete Behandlung bzw. Behandlungsdauer ein. Es ist zwar für den Arzt und den Versicherungsträger administrativ aufwändiger, andererseits aber gerechter. Ein Nachteil des Einzelleistungssystems ist, dass es unter Umständen Anreize enthält, nicht unbedingt notwendige Leistungen zusätzlich zu erbringen, um das Honorar zu erhöhen. Daher wird dieses System häufig mit Kostenbeteiligungen der Patienten verbunden, um einen gewissen finanziellen Bremseffekt zu erzielen. Das Einzelleistungssystem ist bei den Sonderversicherungsträgern und Krankenfürsorgeanstalten umgesetzt.

Allgemein ist eine klare Tendenz in Richtung Einzelleistungssystem festzustellen. War bei den Gebietskrankenkassen früher das Pauschalsystem viel stärker ausgeprägt, entwickelte sich das Honorierungssystem bei diesen Versicherungsträgern immer mehr zu einem Mischsystem.

Das Mischsystem wird von Komponenten des Pauschal- und des Einzelleistungssystems geprägt. In diesem System kommt zur Fallpauschale oder Grundvergütung bzw. zu den pauschalierten Positionen wie Ordination, Visite oder Erste Hilfe noch eine Reihe von Sonderleistungen (die nach dem Einzelleistungssystem vergütet werden) dazu. Das bedeutet, dass der Arzt pro Abrechnungszeitraum für jeden Patienten einmal die Grundvergütung abrechnen kann. Daneben kann er unter Umständen noch die eine oder andere Sonderleistung abrechnen. Kommt der Patient im selben Abrechnungszeitraum zur weiteren Behandlung, können in der Regel nur noch Sonderleistungen abgerechnet werden.

Der Katalog der Sonderleistungen, den es sowohl bei den Sonderversicherungsträgern als auch bei den Gebietskrankenkassen in unterschiedlicher Ausgestaltung gibt, unterteilt sich in allgemeine Sonderleistungen (z.B. Blutabnahme, Injektionen, Infiltrationen, Punktionen) und Sonderleistungen aus den einzelnen Fachgebieten.

Die verschiedenen Honorarordnungen sehen darüber hinaus Limitierungsbestimmungen und Rabatte in den unterschiedlichsten Ausgestaltungen vor. So gibt es beispielsweise Leistungen, die nur zu einem bestimmten Prozentsatz der Behandlungsfälle pro Quartal verrechenbar sind (Bsp.: „Die Verrechenbarkeit ist mit 20 % der Fälle limitiert.“). Daneben gibt es auch Leistungen, die pro Einzelfall mit einer bestimmten Anzahl limitiert sind (Bsp.: „Die Position kann maximal zweimal pro Patient und Quartal verrechnet werden.“)

Vor allem die Fallpauschale oder Grundvergütung unterliegt oftmals einer degressiven Honorierung. Das bedeutet, dass bis zu einer bestimmten Anzahl von Fällen (Patienten) pro Abrechnungszeitraum die volle Honorierung gebührt. Die Fälle darüber werden mehrmals abgestuft mit einem jeweils geringeren Wert vergütet (Bsp.: „Bis 800 Fälle gebührt volles Honorar, bis 1000 Fälle gebührt ein geringeres Honorar, über 1000 Fälle gebührt ein noch einmal verringertes Honorar.“).

Es gibt auch Honorierungsmodelle, nach denen die Honorarsumme auf gewisse Weise limitiert wird. So wird beispielsweise das Honorar ab einer gewissen Summe um einen bestimmten vorab festgelegten Prozentsatz vermindert. Manchmal wird in diesem Zusammenhang auch von Mengenrabatten gesprochen.

Die unterschiedlichen Limitierungsbestimmungen werden bewusst aus wirtschaftlichen Überlegungen und im Hinblick auf die Qualität der Behandlung eingesetzt. Der Arzt wird unter anderem dadurch angehalten, nicht nur viele Leistungen abzurechnen, da er ab einer gewissen Anzahl nur mehr einen Teil davon abgegolten bekommt. Es soll dadurch das Durchschleusen von Patienten vermieden und somit die Qualität der Behandlung gewährleistet werden.

 

Die gesetzlichen Krankenversicherungsträger sind verpflichtet, ihren Versicherten im Krankheitsfall eine entsprechende medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Dies kann einerseits durch Sachleistungen und andererseits durch Geldleistungen erfolgen.

Unter Sachleistung fallen etwa die Krankenbehandlung, Heilmittel, Heilbehelfe, Hilfsmittel, Anstaltspflege, Hauskrankenpflege, Vorsorge- und Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen. Geldleistungen sind das Kranken- und Wochengeld, Kostenerstattung bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes und Kostenzuschüsse (z.B. für Zahnersatz).

Sachleistungsprinzip bedeutet, dass der Versicherte medizinische Leistungen in Anspruch nehmen kann, ohne dafür etwas bezahlen zu müssen. Die Krankenversicherungsträger schließen hierzu in erster Linie Verträge mit niedergelassenen Ärzten und anderen Vertragspartnern (Apotheken, Physiotherapeuten, Hebammen usw.) ab. Diese rechnen Ihre Leistungen mit den Krankenversicherungsträgern ab und nicht direkt mit den Versicherten. Die Krankenversicherungsträger können auch eigene Einrichtungen (z.B. Ambulatorien, Krankenanstalten, Heil- und Kuranstalten) betreiben, welche die Leistungen für ihre Versicherten erbringen.

Geldleistungsprinzip bedeutet, dass sich der Versicherte außerhalb der oben erwähnten Einrichtungen die Leistungen selbst organisiert und bezahlt (z.B. bei einem Wahlarzt), und anschließend die Honorarnote bei seinem Krankenversicherungsträger zur Kostenerstattung einreicht.

In Österreich ist überwiegend das Sachleistungsprinzip umgesetzt. Für Versicherte nach dem GSVG entscheidet die Höhe der Einkünfte, ob sie sach- oder geldleistungsberechtigt sind. Liegen sie mit Ihren versicherungspflichtigen Beträgen unter der Sachleistungsgrenze, dann sind sie sachleistungsberechtigt, darüber sind sie geldleistungsberechtigt. Sie können aber auch in die volle Geldleistungsberechtigung optieren.

 

Die Sozialversicherungsgesetze sehen vor, dass der Versicherte Anspruch auf Kostenerstattung hat, wenn er nicht die Vertragspartner oder eigene Vertragseinrichtungen des Versicherungsträgers in Anspruch nimmt. Zu beachten ist allerdings, dass die Kostenerstattung der Höhe nach limitiert ist. Der Krankenversicherungsträger hat lediglich 80 % des Betrags zu ersetzen, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner bzw. Vertragseinrichtungen des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wären.

Mit anderen Worten: Nimmt ein Versicherter die Leistungen eines Wahlarztes in Anspruch, kann er die von ihm bereits bezahlte Honorarnote bei seinem Krankenversicherungsträger zur Kostenerstattung einreichen. Dieser hat dem Versicherten 80 % von dem Betrag zu ersetzen, den der Krankenversicherungsträger aufgrund der Honorarordnung einem Vertragsarzt zu bezahlen hätte. Die Krankenversicherungsträger ziehen also die Kassentarife (Honorarordnung) bzw. eigene in der Satzung festgelegte Rückersatztarife für die Berechnung der Kostenerstattung heran. Nicht die Höhe der Honorarnote ist daher für die Kostenerstattung ausschlaggebend, sondern die Kassen- bzw. Rückersatztarife.

Die Regelung, dass lediglich 80 % des Kassentarifs erstattet werden müssen, war bereits Gegenstand einer höchstgerichtlichen Prüfung. Der Verfassungsgerichtshof hat die Rechtmäßigkeit dieser Bestimmungen unter anderem damit begründet, dass den Krankenversicherungsträgern durch die Berechnung der Kostenerstattung ein administrativer Mehraufwand entstehe, der die Begrenzung der Kostenerstattung rechtfertige.

Auch im vertragslosen Zustand haben die Versicherten Anspruch auf Kostenerstattung, wenn sie die Leistungen nicht in einer kasseneigenen Einrichtung in Anspruch nehmen (können). Nach dem ASVG steht dem Versicherten in einem solchen Fall Kostenerstattung in der Höhe zu, die der Krankenversicherungsträger vor Eintritt des vertragslosen Zustandes bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes zu leisten gehabt hätte.

Bei Vorsorge- und Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen durch einen Wahlarzt erhalten die Versicherten hingegen eine Kostenerstattung in der Höhe von 100 % des Kassentarifs.

 

Die Honorarordnungen der Krankenversicherungsträger unterscheiden sich in vielen Bereichen. Es kommt daher vor, dass einige Leistungen zwar in einer Honorarordnung enthalten sind, diese aber in einer anderen fehlen. Dies kann aus verschiedensten Gründen der Fall sein, etwa weil sich Ärztekammer und Krankenversicherungsträger auf keinen Tarif einigen konnten, weil es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt oder eine Aufnahme in die Honorarordnung aus anderen Gründen nicht erfolgt ist.

Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung fallen Leistungen, die nicht in der Honorarordnung aufscheinen, in den sogenannten kassenfreien Raum. Das bedeutet, dass der Arzt sie mit den Versicherten privat verrechnen kann. Je nach den Regelungen in den Satzungen der Krankenversicherungsträger sind diese verpflichtet, den Versicherten einen Kostenersatz oder Kostenzuschuss zu leisten.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass in einzelnen Gesamtverträgen der kassenfreie Raum nur eingeschränkt besteht. Bei konkreten Fragen ist es unumgänglich, Kontakt mit der zuständigen Landesärztekammer aufzunehmen, um Unklarheiten vorab zu beseitigen.

 

Es gibt in den verschiedenen Honorarordnungen der Krankenversicherungsträger einige Leistungen, die mit der Krankenkasse nur verrechenbar sind, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei handelt es sich entweder um den Nachweis einer bestimmten Ausbildung (z.B. Akupunktur-Diplom, PSY-Diplom) oder um den Nachweis der Verwendung bestimmter Geräte bei der Erbringung der Leistung.

Auch für Wahlärzte sind Verrechnungsberechtigungen relevant. Sie können sämtliche Leistungen anbieten, zu denen sie von der Ausbildung her befugt sind. Patienten haben allerdings nur bei jenen Sonderleistungen einen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber ihrem Krankenversicherungsträger, für die der Wahlarzt die Verrechnungsberechtigung beantragt und diese auch erteilt bekommen hat.

 

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