8. Behandlung in der Ordination

Für Patienten gilt im niedergelassenen Bereich die freie Arztwahl. Sie können sich also aussuchen, von welchem Arzt sie sich behandeln lassen. Demgegenüber besteht für niedergelassene Ärzte das Prinzip der Vertragsfreiheit. Auch der Arzt kann sich also aussuchen, mit welchen Patienten er einen Behandlungsvertrag abschließen möchte. Zu beachten sind allerdings gesetzliche oder vertragliche Sonderbestimmungen, die den Arzt zum Abschluss eines Behandlungsvertrags zwingen (sogenannter Kontrahierungszwang).

Eine derartige gesetzliche Bestimmung sieht etwa das Ärztegesetz vor. Demnach darf der Arzt bei drohender Lebensgefahr die Erste Hilfe nicht verweigern. Eine Verweigerung der Ersten Hilfe kann strafrechtliche und disziplinarrechtliche Folgen nach sich ziehen. Eine vertragliche Sonderbestimmung ergibt sich aus den Gesamt- und Einzelverträgen mit den Sozialversicherungsträgern. Für Kassenärzte gilt generell eine Behandlungspflicht gegenüber allen Versicherten (Anspruchsberechtigten). Allerdings findet sich in den Gesamtverträgen eine Bestimmung, wonach der Vertragsarzt in begründeten Fällen berechtigt ist, die Behandlung eines Anspruchsberechtigten abzulehnen. Den Grund für die  Ablehnung hat der Vertragsarzt auf Verlangen dem Versicherungsträger mitzuteilen. Solche begründeten Fälle sind etwa, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt zerstört ist, der Patient im Wartezimmer randaliert oder andere Patienten belästigt, bei Tätlichkeiten des Patienten gegen das Personal oder den Arzt, Ehrenbeleidigungen und dergleichen.

Das Ärztegesetz sieht darüber hinaus vor, dass der Arzt dem Kranken oder den für dessen Pflege verantwortlichen Personen, erforderlichenfalls auch der Aufenthaltsgemeinde des Kranken, den Rücktritt von einer (weiteren) Behandlung rechtzeitig anzeigen muss. Dies hat den Hintergrund, dass der Patient eine ausreichende Frist hat, um sich um eine anderweitige Betreuung zu kümmern. Wie lange diese Frist ist, kann dem Gesetz nicht entnommen werden, es wird jeweils im Einzelfall zu beurteilen sein.

 

Bei Inanspruchnahme eines Vertragsarztes stellt sich für die meisten Patienten die Frage nach der Höhe der Kosten der ärztlichen Behandlung nicht, da der Vertragsarzt ohnehin sein Honorar mit der Krankenversicherung abrechnet und der Patient nicht selbst dafür bezahlen muss. Wird der Patient hingegen privat behandelt bzw. nimmt er Privatleistungen in Anspruch, könnte diese Frage eine Rolle spielen.

Vor Einführung der Sonderregelungen im Ärztegesetz und im Zahnärztegesetz ging die Rechtsprechung unter analoger Anwendung des § 1152 ABGB davon aus, dass sich der ärztliche Behandlungsvertrag hinsichtlich der Entgeltlichkeit nicht von vergleichbaren Verträgen, die sonstige Unternehmer abschließen, unterscheidet. Das bedeutet, dass ein angemessenes Entgelt als vereinbart gilt, wenn vorab kein Entgelt bestimmt wurde und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart wurde.

Bereits seit dem Jahr 2006 gibt es für Zahnärzte im Zahnärztegesetz eine Sonderregelung. Demnach haben Angehörige des zahnärztlichen Berufs die Patienten unter anderem über die Kosten der zahnärztlichen Behandlung aufzuklären. Das Zahnärztegesetz schreibt ausdrücklich vor, dass dabei auch darüber zu informieren ist, welche Behandlungskosten von der Sozialversicherung bzw. der Krankenfürsorge voraussichtlich übernommen werden, und welche vom Patienten zu tragen sind.

Nach dem Zahnärztegesetz hat die Aufklärung über die Kosten in den folgenden Fällen in Form eines schriftlichen Heil- und Kostenplans zu erfolgen:
►    wenn im Hinblick auf die Art und den Umfang der Behandlung wesentliche Kosten anfallen. Als wesentlich gelten die Kosten, wenn sie 70 % des durchschnittlichen Netto-Monatseinkommens betragen. Dieser Betrag ist von der Österreichischen Zahnärztekammer jährlich bekannt zu geben,
►    wenn die Kosten die in den Autonomen Honorar-Richtlinien der Österreichischen Zahnärztekammer festgelegte Honorarhöhe übersteigen,
►    wenn dies der Patient verlangt.

Für Ärzte sieht die im Jahr 2014 eingeführte Bestimmung des § 51 Abs 1a Ärztegesetz 1998 vor, dass der Arzt Im Rahmen der Auskunftspflicht der zur Beratung oder Behandlung übernommenen Person aus einem EU-Mitgliedstaat eine klare Preisinformation über die von ihm zu erbringende ärztliche Leistung zur Verfügung zu stellen hat, sofern nicht eine direkte Abrechnung mit einem inländischen Träger der Sozialversicherung oder der Krankenfürsorge erfolgt. Nach erbrachter ärztlicher Leistung hat der Arzt eine Rechnung auszustellen, welche nach objektiven, nichtdiskriminierenden Kriterien erstellt wird.

 

In manchen Ordinationen werden neben der ärztlichen Tätigkeit auch verschiedene Produkte an die Patienten verkauft. Dabei handelt es sich beispielsweise um Nahrungsergänzungsmittel, dermatologische Produkte, Kosmetika oder Hygieneartikel. Dafür muss ein Gewerbe angemeldet werden. Aus ärzterechtlicher Sicht spricht nichts gegen diese Vorgehensweise, auch die Gesamtverträge mit den Sozialversicherungsträgern stehen dem nicht entgegen. Zu beachten ist allerdings, dass die ärztliche Tätigkeit von der gewerblichen Tätigkeit zu trennen ist. Der Arzt darf sein Vertrauensverhältnis zu den Patienten nicht dazu missbrauchen, ihnen derartige Produkte aufzudrängen.

Voraussetzung für die gewerbliche Tätigkeit ist die Erteilung einer Gewerbeberechtigung von der zuständigen Gewerbebehörde. Dies ist die jeweilige Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft oder Magistrat), in deren Sprengel sich der Gewerbestandort befindet. Die Gewerbeordnung unterscheidet zwischen reglementierten und freien Gewerben. Bei reglementierten Gewerben bedarf der Antragsteller eines Befähigungsnachweises, bei freien Gewerben ist ein solcher nicht erforderlich.

Der Befähigungsnachweis ist der Nachweis, dass der Gewerbeanmelder die fachlichen und kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um das betreffende Gewerbe ausüben zu können. Diese geforderten Kenntnisse werden bei einem Arzt in der Regel durch die Führung einer Ordination als gegeben erachtet, weshalb keine besonderen zusätzlichen Nachweise mehr zu erbringen sind.

Durch die Gewerbeanmeldung kommt es zur Versicherungspflicht bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung. Der Gewerbetreibende wird außerdem Mitglied der Wirtschaftskammer und hat hierfür Beiträge zu entrichten.

 

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