4. Formen der niedergelassenen ärztlichen Tätigkeit

Sobald ein zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt mit einem Krankenversicherungsträger einen Einzelvertrag abschließt, wird er zum Kassen- oder Vertragsarzt. Er hat sich damit an die gesamt- und einzelvertraglichen Vorgaben des jeweiligen Sozialversicherungsträgers zu halten.

Hat ein Arzt nicht mit allen Krankenversicherungsträgern einen Einzelvertrag abgeschlossen, ist er hinsichtlich der Patienten, mit deren Krankenkasse er kein Vertragsverhältnis hat, Wahlarzt. Die Möglichkeit beispielsweise nur mit den Sonderversicherungsträgern, nicht aber mit der ÖGK einen Einzelvertrag abzuschließen, wurde aber in den letzten Jahren immer mehr eingeschränkt und ist eigentlich kaum mehr möglich.

 

Wahlärzte sind niedergelassene Ärzte, die keine Einzelverträge mit den Krankenversicherungsträgern abgeschlossen haben. Für Wahlärzte gelten somit die gesamt- und einzelvertraglichen Regelungen nicht. Die Honorarordnungen der Krankenversicherungsträger haben aber insofern eine gewisse
Relevanz, da sie Grundlage für die Kostenerstattung an die Patienten sind.

 

Ärzte, die ihre Ausbildung nicht in Österreich, sondern in einem anderen EWR-Staat oder in der Schweiz absolviert haben, und gewisse Voraussetzungen erfüllen, werden approbierte Ärzte genannt. Aufgrund europarechtlicher Vorschriften war es notwendig, diesen Begriff im Ärztegesetz zu verankern. Nach dem Ärztegesetz sind somit Ärzte, die die Erfordernisse für die Ausübung des ärztlichen Berufs als approbierter Arzt erfüllt haben, zur selbständigen Ausübung einer allgemeinärztlichen
Berufstätigkeit als approbierter Arzt berechtigt. Die Berufstätigkeit kann im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder freiberuflich ausgeübt werden.

Da approbierte Ärzte in der Regel eine kürzere Ausbildung als Ärzte für Allgemeinmedizin absolviert haben, erkennt sie das österreichische Sozialversicherungssystem nicht an. Sie können sich zwar in Österreich niederlassen, haben jedoch keinen Anspruch auf einen Kassenvertrag. Gleichwohl haben Patienten nach dem ASVG keinen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn sie Leistungen eines approbierten Arztes in Anspruch nehmen. Eine ähnliche Bestimmung ist auch in einigen Sonderversicherungsgesetzen zu finden. Der approbierte Arzt ist daher reiner Privatarzt.

Ebenso kann die Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke einem approbierten Arzt nicht erteilt werden.

 

Ein Privatarzt erbringt ärztliche Leistungen, die ihrer Art nach keine Krankenbehandlung darstellen oder für die der jeweilige Sozialversicherungsträger aus anderen Gründen gesetzlich nicht leistungspflichtig ist. Da für den Sozialversicherungsträger keine Leistungspflicht besteht, hat der Patient diese Leistungen privat zu zahlen. Für private Leistungen hat der Patient auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung.

Auch ein Kassenarzt kann für gewisse Bereiche zum Privatarzt werden (vergleiche dazu den Hinweis auf vielen Ordinationsschildern: „Privat und alle Kassen“). Wahlärzte sind grundsätzlich auch Privatärzte. Für den Bereich der Leistungen, für die der Patient Anspruch auf Kostenerstattung hat, hat sich allerdings der Begriff des Wahlarztes durchgesetzt.

Beispiele für reine Privatleistungen sind etwa Impfungen, ästhetische Eingriffe, Eingriffe zur Empfängnisverhütung, Tauchsportuntersuchungen, Führerscheinuntersuchungen, Lebensversicherungsuntersuchungen, etc.

 

Eine Primärversorgungseinheit ist eine durch verbindliche und strukturierte Zusammenarbeit gemäß dem Versorgungskonzept nach außen als Einheit auftretende Erstanlaufstelle im Gesundheitsversorgungssystem. Sie besteht aus einem Kernteam, das sich aus Ärzten für Allgemeinmedizin und Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege zusammensetzt. Orts- und bedarfsabhängig sollen Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde Teil des Kernteams sein. Orts- und bedarfsabhängig können weitere Angehörige von Gesundheits- und Sozialberufen (z.B. Hebammen, Psychologen, Psychotherapeuten, Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflege) eingebunden werden.

Eine Primärversorgungseinheit muss mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet und im jeweiligen Regionalen Strukturplan Gesundheit (RSG) abgebildet sein und über einen auf dem Sachleistungsprinzip beruhenden Primärversorgungsvertrag mit den in Betracht kommenden Krankenversicherungsträgern verfügen, wobei jedenfalls die Österreichische Gesundheitskasse Vertragspartner der Primärversorgungseinheit sein muss.

Eine Primärversorgungseinheit kann an einem Standort oder als Netzwerk an mehreren Standorten eingerichtet sein. Eine an einem Standort eingerichtete Primärversorgungseinheit kann in der Organisationsform einer Gruppenpraxis (GmbH oder OG) oder eines selbständigen Ambulatoriums geführt werden. Eine Primärversorgungseinheit als Netzwerk kann auch in anderen Rechtsformen (z.B. Verein) geführt werden, wobei sie diesfalls nur aus freiberuflich tätigen Ärztinnen und Ärzten, Gruppenpraxen sowie anderen nichtärztlichen Angehörigen von Gesundheits- und Sozialberufen oder deren Trägerorganisationen gebildet werden kann.

Durch die Primärversorgungseinheit ist eine breite diagnostische, therapeutische und pflegerische Kompetenz mit (Zusatz-)Kompetenzen insbesondere für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die Versorgung älterer Personen, die Versorgung von chronisch kranken und multimorbiden Patientinnen und Patienten, die psychosoziale Versorgung, das Arzneimittelmanagement und die Gesundheitsförderung und Prävention abzudecken. Eine Primärversorgungseinheit hat in ihrer Zusammensetzung jedenfalls möglichst abschließende Akutbehandlungen und Langzeittherapien bei chronischen Erkrankungen zu gewährleisten.

Die Beziehungen zwischen dem Träger der Sozialversicherung und der Primärversorgungseinheit werden grundsätzlich durch den zwischen dem Dachverband und der Österreichischen Ärztekammer abgeschlossenen Primärversorgungs-Gesamtvertrag (dieser gilt jedoch nicht für PVE in Form eines selbständigen Ambulatoriums) und dem zwischen den in Betracht kommenden Krankenversicherungsträgern und der Primärversorgungseinheit abgeschlossenen Primärversorgungsvertrag geregelt. Bei PVE mit mehreren Standorten (sofern es sich um keine Gruppenpraxis mit dislozierten Standorten handelt) regelt der Primärversorgungs-Einzelvertrag die Beziehungen der Träger der Krankenversicherung zu den an einer Primärversorgungseinheit teilnehmenden freiberuflich tätigen Ärztinnen und Ärzten hinsichtlich der ärztlichen Leistungen.

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